Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
sich einzuverleiben, dann bin ich es ihnen schuldig, bei ihnen zu sein.«
Die Königin erhob sich. »Ich könnte die Schafe requirieren, als Nahrung und Wolle für meine frierendenund hungernden 30 000. Dann wäre dieses Problem gelöst.«
»Ja. Als Königin könntet Ihr das wohl tun. Vielleicht müsst Ihr das sogar.«
»Aber vielleicht … bin ich gar keine gute Königin.« Sie ging hinaus, ohne sich noch einmal für die Bewirtung zu bedanken. Der alte Mann blieb einfach sitzen.
Draußen empfingen sie ein beißender Wind und die fünf fragenden Mienen ihrer Begleiter. »Reiten wir zurück«, gab sie kurz Anweisung. »Für uns gibt es hier nichts zu holen.«
Der Tross der 30 000 kauerte grau, wie mit Puderzucker bedeckt, im karstigen Weiß des Winters. Die Feuer vermochten Hände und Füße, nicht jedoch die Herzen der Menschen zu wärmen. Die Hauptstadt war gefallen. In Marschrichtung ragten die Wolkenpeinigerberge auf wie eine gewaltige, göttliche Barriere.
Die Königin berief mehrere Versammlungen ein, beriet sich wiederholt mit ihrer neuen Beraterin Lehenna Kresterfell und eher der Form halber auch mit ihren unwilligen, sich möglichst aus allem heraushaltenden Koordinatoren, und kam zu folgendem Schluss: »Wir brauchen einen Freiwilligen, der nach Orison-Stadt reitet und versucht, mit den Dämonen einen Waffenstillstandspakt auszuhandeln. Möglicherweise sind sie ja durchaus daran interessiert, mit den Menschen gemeinsam zu leben, sich auszutauschen, Handel zu treiben. Vielleicht muss es kein Entweder-Oder geben. Vielleicht steht Orison vor einer neuartigen Ära der Verständigung und Verschwesterlichung.«
Dass sich mehrere Menschen für dieses Himmelfahrtskommandofreiwillig meldeten, war ein Indiz dafür, wie strapaziös und auch hoffnungslos vielen von ihnen der Marsch nach Norden vorkam.
Die Wahl der Königin und ihrer Beraterin fiel schließlich auf den jungen, leicht wunderlich anzusehenden Bänkelsänger Leldist Laanebrugg. Mit wunderschön modulierter Stimme war Leldist Laanebrugg in der Lage, wunderschön formulierte freie Rede laut vorzutragen. Gleichzeitig war er von schmächtiger und nachgerade lächerlicher Gestalt und würde dadurch wohl auch dem dümmsten Dämon nicht als ein Krieger erscheinen, der Gefahr verhieß und den man deshalb möglichst schnell niederstrecken musste.
Leldist Laanebrugg war sich der Schwierigkeit seiner Mission durchaus bewusst. Stundenlang wurde er instruiert, was er sagen durfte und was nicht. Dann setzte man ihn auf ein Pferd, in dessen rechtem Steigbügel eine oben abgerundete Lanze samt weißer Parlamentärsflagge steckte, und schickte ihn ohne Geleitschutz nach Süden zurück, denn man wollte den Dämonen kein waffenstarrendes Ziel bieten. »Wohl und Wehe im ganzen Lande in den Händen eines Mannes von fahrendem Stande«, verabschiedete er sich mit einer satteltiefen Verbeugung von der Königin, und ihr fiel erst später auf, dass dies ein vom Versmaß her leicht wackeliger Reim gewesen war.
Beunruhigt ließ die Königin Uniformierte losreiten, um den Bänkelsänger wieder einzufangen. Zeternd wurde der Barde zu ihr zurückgeführt. Lae bestimmte eine bereits ältere Erzieherin namens Naona Ickard, die vorher in die engere Auswahl der Unterhändler gekommen war, dazu, den Sänger auf seiner Mission zu begleiten.»Laanebrugg, du führst zwar das Wort«, sagte sie zu dem Sänger, und dann sprach sie die Frau eindringlich an: »Aber du, Naona, achtest darauf, wie die Dämonen auf Laanebrugg reagieren. Falls du das Gefühl bekommst, Stimme und Redeweise des Barden werden nicht für voll genommen oder wirken provozierend, mäßigst du den Barden und ergreifst selbst das Wort. Habt ihr beide das begriffen? Mein Befehl lautet, dass ihr zusammenarbeitet und euch gegenseitig ergänzt – zum Wohle des Landes uns all seiner Bewohner. Ihr beide seid eine unserer Hoffnungen.«
»Ich verstehe, Königin«, bestätigte Naona Ickard. »Was machen wir aber, wenn der Heerführer der Dämonen nur mit Euch persönlich verhandeln möchte?«
»Dann arrangiert ein Treffen auf neutralem Gelände. Er und ich alleine auf einer gut überschaubaren Ebene. Ich will mir gerne anhören, was er zu sagen hat.«
Die beiden Unterhändler nickten. »So soll es sich ereignen, Eu’r Wort wird niemand leugnen«, reimte Leldist Laanebrugg wieder verhältnismäßig schief, aber die Königin war nun, mit Naona Ickard an seiner Seite, nicht mehr ganz so besorgt, das Schicksal Orisons in
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