Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
oder sie. Ein Krieg wird die Folge sein, wie ihn Orison noch nicht erlebt hat.«
»So sieht es augenblicklich aus. Sie vernichten uns, wo immer sie uns finden. Orison-Stadt ist gefallen. Ein paar treue Söldnerinnen, die mit Müh und Not aus der Stadt entkommen konnten, haben mir berichtet, wie die Dämonen unsere geliebte Festung höhnisch mit Feuer, Wasser und Wurfsteinen verwüstet haben. Sie sind Tiere, die keine Gnade kennen. Das sind nicht unsere verstorbenen Ahnen. Und dennoch …«
» … und dennoch bleibt da dieser Zweifel, ob man nicht, selbst wenn sie eine vollständig fremde Lebensform sein sollten, mit ihnen sprechen und verhandeln könnte, so wie ich das damals mit Gäus konnte.«
»Ja. Ehrwürdiger ehemaliger Berater – könntet Ihr Euch vorstellen …«
Erneut unterbrach der Schafhirte die Königin. » … einen Versuch zu wagen? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin nur ein müder, alter Mann. Ich habe zu viel Krieg gesehen, um nicht müde zu sein. Wo ist der junge Bursche, der all die Jahre Eurer Berater war?«
»Im Süden. Auf der Suche nach Verstärkung.«
»Ich verstehe. Die Dämonen haben die Inseln außer Acht gelassen. Aber von dort wird wenig kommen. Rurga hat kaum Einwohner und Kelm gar keine mehr, seitdem dort zwei Dämonen starben. Legt Ihr auf meinen Rat wert, meine Königin?«
»Sonst wäre ich nicht hier.«
»Versucht es. Versucht eine Verhandlung. Erwähnt den Namen Gäus. Erwähnt, dass Gäus die Hauptstadt geliebt hat und versuchte, sie und ihre Einwohner zu schützen. Das ist nicht ohne Risiko, denn womöglich ist Gäus bei allen anderen Dämonen verhasst, weil er anders war als sie. Aber was immer Ihr tut, was immer Ihr versucht: Geht nicht nach Coldrin zu König Turer!«
»Warum nicht?«
»Was immer die Dämonen sind, meine Königin – sie sind auf die eine oder andere Weise … Kinder des Landes Orison. Turer und seine Leute jedoch sind zu fremdartig, um selbst die Bezeichnung Dämonen zu verdienen.«
»Wir wissen zu wenig.«
»Wir wissen, dass sie in früherer Zeit so viel Schrecken hervorgerufen haben müssen, dass man noch heute nur unter abergläubischen Vorkehrungen von ihnen flüstert. Wir wissen, dass hinter dem Wolkenpeinigergebirge Nebel herrscht, in dem sich Wesen bewegen, deren Umrisse nicht menschlich sind. Seefahrer haben uns wiederholt davon berichtet. Wir wissen, dass allzu vorwitzige Seefahrer, genau wie allzu vorwitzige Gebirgsüberquerer und genau wie königliche Emissäre einfach nicht zurückgekehrt sind von dort. Wir wissen inzwischen, dass sich jene Horde von Plünderern, die in den Wirren des irathindurischen Krieges das Zweite Baronat unsicher machte, nicht aus wirklichen Coldrinern zusammensetzte, sondern lediglich aus Menschen, die mitten im Gebirge leben. Ich sehe das folgendermaßen: Orison ist ein Land voller Unwägbarkeiten. Aber Coldrin nun noch hinzuzufügen zu diesen Unwägbarkeiten – das ist, als würde man versuchen, ein Feuer miteiner unbekannten Flüssigkeit zu löschen, die mit Sicherheit kein Wasser ist. Eher ist der Anführer des Dämonenheeres ein gerechter König für unser Land, als dass König Turer von Coldrin uns Gutes bringt.«
Das Schweigen zwischen ihnen währte lang. Nebenan waren die Schafe zu hören. Das Feuer im Kamin kämpfte gegen die Kälte an, die durch alle Fugen wallte. »Ich werde einen Emissär bestimmen«, sagte die Königin schließlich mit einem Nicken. »Mit den Dämonen in Verhandlungen zu treten ist eine Idee, die ich vor unserem Gespräch noch gar nicht hatte. Aber mein Zug ins Gebirge besteht inzwischen aus 30 000 Menschen. Ich werde das Leben dieser 30 000 nicht aufs Spiel setzten, indem ich innehalte und darauf hoffe, dass es unter den Dämonen einen Gäus gibt, mit dem man reden kann. In einem weiteren Punkt gebe ich Euch allerdings recht: Ich werde diese 30 000 nicht nach Coldrin hineinführen, sondern ihnen eine möglichst sichere Heimstatt in den Bergen suchen, während ich nur mit einer kleinen, handverlesenen Abordnung das Reich der Nebel betreten werde. Ich frage Euch nun abermals: Seid Ihr sicher, dass Ihr Euch uns nicht anschließen wollt? Ich könnte einen Berater, der sogar schon mit einem leibhaftigen Dämon auf gutem Fuße stand, am Hof des Königs Turer gut gebrauchen.«
Tanot Ninrogin lächelte traurig. »Im Gegensatz zu Euch«, antwortete er, »kann ich meine Schäflein nicht mit über die Berge nehmen. Wenn die Dämonen also hierherkommen, um sie
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