Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
die Hände eines Ungeeigneten gelegt zu haben.
Auch Marna Benesand hatte kurz darüber nachgedacht, sich freiwillig zu melden, aber es sprach zu vieles dagegen. Die Töchter Benesands waren der Hauptstadt gerade erst mit Müh und Not entkommen und hatten der Königin Kunde gebracht vom schrecklichen Fall der stolzen Festung. Es wäre geradezu widernatürlich, nun dorthin zurückzureiten. Marna konnte auch nicht einfach ihre Schwestern im Stich lassen und alleine reiten,sondern sie hatte sich geschworen, alle ohne weitere Verluste nach Coldrin zu bringen. Sie konnte und durfte sich nun nicht auf Umwegen verzetteln. Sie wollte in Coldrin nach Faur Benesand oder zumindest Zeugnissen seines Dortseins forschen, oder ihm ein Grab in den Bergen bereiten. Außerdem war sie für eine Unterhändlerin viel zu hübsch und deshalb als Beute zu appetitlich, um überhaupt angehört zu werden. Sie war auch Kriegerin und strahlte deshalb Bedrohlichkeit aus. Sie hatte sich nun zweimal auf Missionen fernab der Königin begeben, die beide gründlichst schiefgelaufen waren, und fürderhin beschlossen, der Königin kein weiteres Mal den Rücken zu kehren.
Nein, es sprach einfach zu vieles dagegen. Dies war keine Zeit für hohles Heldentum. Marna trug Verantwortung für ihre noch lebenden wie auch für ihre toten Schwestern.
Sie ließen den komischen Bänkelsänger und seine runzlige Aufpasserin ziehen. Sollten doch ruhig einmal andere versuchen, sich um das Land verdient zu machen, und dabei feststellen, wie schwierig das doch war.
noch dreißig bis zum Ende
Zu seiner eigenen Überraschung fand Orison in den verwinkelten Tiefen des Schlundes ein Gespräch.
Der Dämon nannte sich Adain. Er war nicht besonders groß, in etwa wie eine Menschenfrau, hatte schmale, grünlich schimmernde Gliedmaßen, die alles andere als symmetrisch aussahen. Sein linkes Bein und sein linker Arm waren deutlich kürzer als sein rechtes Bein und sein rechter Arm. Dafür wurden seine dunkelblauen Augen von bemerkenswert langen Wimpern beschattet.
»Was tust du noch hier unten?«, sprach Orison ihn an. »Hast du Culcahs Ruf zur Freiheit nicht vernommen?«
Obwohl Orison hier unten keine richtige Gestalt besaß, sondern eher wie eine Wolke aussah oder wie ein vielschichtiger Haufen unterschiedlichster Beschaffenheiten, erkannte Adain ihn als einen der seinen. »Du bist ja auch noch hier«, antwortete er trotzig.
»Ich bin Orison. Der Mahlstrom war mein Werk. Ich habe das Recht, so lange hier zu sein, wie ich das möchte. Aber du solltest am Krieg teilnehmen, also spute dich!«
Adain lächelte. »Nein, lass mal gut sein. Ein Krieg ist nichts für mich.«
»Du fühlst dich benachteiligt, weil dein Körper nicht so wohlgeraten ist wie der anderer?«
»Na ja, im Vergleich zu dir sehe ich doch noch ganz wohlgeraten aus.«
Orison schwebte näher an Adain heran. Die Frechheit dieses Dämons erstaunte ihn. »Fürchtest du dich nicht vor mir?«
»Weshalb denn? Willst du mir damit drohen, mich zu töten? Was passiert dann? Gehe ich dann in einen neuen Strudel ein und lebe weiter wie bisher?«
»Nein. Wenn du jetzt stirbst, bist du tot. Der Mahlstrom wurde von mir aufgehoben. Es gibt nichts mehr außer dem Leben in Freiheit.«
»Und wie ist das, wenn man tot ist? Ist das schlechter oder besser, als wenn man Bestandteil eines Strudels ist, oder eines Krieges – oder ein Dämon?«
»Schämst du dich dafür, ein Dämon zu sein?«
»Ich wäre lieber etwas anderes.«
»Warum?«
»Weil die Dämonen mir nie gefallen haben. Sie waren entweder fügsames Strudel-Nichts oder ein brüllendes Knäuel, das sich an einen presst und einem ins Gesicht stinkt.«
»Und was wärst du stattdessen lieber?«
»Ich weiß nicht. Ein Wurm vielleicht. Ein Vogel. Eine Katze.«
»Warum ein Tier?«
»Weil Tiere unabhängig sind. Niemand außer ihrem eigenen Magen und vielleicht noch ihrem Geschlechtstrieb sagt ihnen, was sie zu tun und zu lassen haben. Mirgefallen Culcahs Stimmen nicht. Sie scheinen sich fortwährend gegenseitig im Weg zu stehen.«
Diese Beobachtung gefiel Orison. Er mochte die Dämonen auch deshalb, weil sich unter ihnen immer wieder so überraschende Exemplare finden ließen wie Adain. »Kannst du dich noch an deine Zeit vor dem Mahlstrom erinnern? Als wir alle noch frei waren? Was warst du da?«
»Erst ein Wurm, dann ein Vogel, dann eine Katze.«
»Die Katze fraß den Vogel, der den Wurm gefressen hatte? Du warst alle drei
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