Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
nicht.«
»Der Dämon war in den Körper des Königs gefahren, kurz nachdem der König dem Dämonenschlund einen Besuch abgestattet hatte. Ich konnte den Unterschied gar nicht feststellen, außer in einigen Stunden, in denen der König mir charakterfester und … weiser zu sein schien als zuvor. Irgendwann hat er sich mir dann offenbart. Mein menschlicher Impuls war es, ihn zu töten. Doch irgendetwas ließ mich innehalten. Er entpuppte sich während des ganzen irathindurischen Gemetzels als weiser Heerführer. Von Orison-Stadt, also vom König, ging während der ganzen Zeit keine Kampfhandlung aus. Es ist erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt, nicht wahr?«
»Und die Göttin war ein anderer Dämon?«
»Ja. Ich bin ihr nie persönlich begegnet. Ich nehme an, es war ein weiblicher Dämon mit Namen Irathinduria. Das würde zumindest den aberwitzigen Namenerklären, den sie ihrem Baronat gab. Der uralte Kampf zwischen Mann und Frau. Selbst Dämonen sind offenbar nicht dagegen gefeit.«
»Die Frau war böse und der Mann gut?«, hakte die Königin mit ernstem Gesichtsausdruck nach.
Tanot Ninrogin schmunzelte. »Angesichts einer weiblichen Majestät möchte ich diese Frage lieber nicht beantworten. Oder sagen wir besser: Möglicherweise war dieses Weibchen nicht weise und dieses Männchen war es schon eher.«
»Also gibt es … gute Dämonen und böse Dämonen? Das wollt Ihr doch sagen? Gäus war ein guter Dämon?«
»Gut und böse, meine Königin – sind das nicht viel zu abstrakte Begriffe für etwas, das lebendig und beweglich ist? Gäus war ein guter König, durchaus. Und dennoch war er in den Körper eines Königs eingedrungen und hatte diesen und seinen Status übernommen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Das ist nicht gerade die Handlungsweise von jemand, der gut war, findet Ihr nicht auch?«
Laes Gedanken rasten. »Aber heißt das nicht, dass es unter den Dämonen unterschiedliche Fraktionen geben könnte? Dass sie eben nicht alle einfach nur Dämonen sind, sondern dass sie … Persönlichkeiten haben, sodass man sie theoretisch auch gegeneinander ausspielen könnte, Keile zwischen sie treiben, ihr Heer zersplittern und schwächen?«
»Möglich ist das, meine Königin. Aber ich weiß nichts über die Dämonen von heute. Damals waren es nur zwei. Vielleicht mussten sie sich streiten, weil sie nur zwei waren gegen Hunderttausende von Menschen und deshalb verzweifelt und verwirrt. Vielleicht ist das diesmal ganz anders. Es sind diesmal so viele, dass sie überall,wo sie sich hinwenden, eine Übermacht bilden. Weshalb also sollten sie sich streiten? Sie können siegen, siegen, siegen und sich am vielen Siegen so berauschen, dass für Kleinlichkeiten gar kein Raum mehr bleibt.«
»Aber vielleicht – ich weiß, das klingt jetzt verrückt, wenn ich das sage, aber vielleicht wäre ihr König, oder wer immer sie auch anführt … ein guter König?«
Jetzt lehnte sich auch Tanot Ninrogin auf seinem Schemel nach vorne, sodass ihrer beider Hände sich auf der kleinen Tischplatte beinahe berührten. »Die Frage ist, meine Königin: Was sind die Dämonen? Zu meiner Zeit gab es dazu drei Theorien. Die Dämonen sind entweder erstens eine fremde, frühzeitliche Lebensform, die vor den Menschen existierte und schließlich, als die Menschen bereits begonnen hatten, sich das Land untertan zu machen, von dem großen Magier Orison in den Dämonenschlund verbannt wurde. Oder sie sind zweitens die unsterblichen Seelen unserer Verstorbenen, die unablässig in den Strudel Eingang finden, bis er eines Tages – heute! – über seine Ufer treten musste. Oder sie sind nichts Eigenes, sondern einfach nur der dunkle Teil aller Menschen, der im Dämonenschlund versank, als die Menschen ihrer Magie verlustig gingen. Wenn diese dritte Theorie stimmte, dann wären die Dämonen Magie, unsere Magie , und man könnte sie vielleicht beschwören und sich einverleiben und hinterher stärker sein als jemals zuvor. Wenn die zweite Theorie stimmte, dann könnte man mit den Dämonen vielleicht in Verhandlungen treten, denn weshalb sollten unsere Verstorbenen ihren eigenen Nachfahren gegenüber denn unerbittlich feindselig sein? Vielleicht gibt es nur eine Verwirrtheit des Nichtwiedererkennens, ähnlichder Rat- und Rastlosigkeit, die Gäus und Irathinduria verspürt haben müssen. Wenn allerdings die erste Theorie stimmte, dann wäre nachvollziehbar, dass sie uns Menschen unerbittlich hassen. Dann geht es nur um eines: entweder wir
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