Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
gegen die enge Fensterscharte klatschte. Ein Arm oder Tentakel wischte kurz nach drinnen, zerriss die Robe des Barons, zertrümmerteden Fensterladen und kippte eine Öllampe um, die sich blakend über einem Pult entzündete. Der Baron wankte unter dem Angriff, das Wesen wich jammernd in den Sturm zurück. Nur mithilfe des brennenden Stehpultes konnte der Baron einen Sturz abfangen. Der Wachsoldat rannte quer durch den Saal mit gezogenem Säbel auf ihn zu. Von unten waren die vertrauten Stimmen der Sesselträger zu hören. Sie schnatterten und schrien sich schließlich gegenseitig an.
Der Baron gebot ihnen in Gedanken Stille, brachte aber nur ein mühsames Keuchen hervor. Sein Herz hämmerte ihm im ausgemergelten Hals. Er durfte jetzt nicht sterben. Nicht ausgerechnet jetzt. Er wollte lauschen. Sehen. Begreifen. Einen sinnvollen Verteidigungsplan entwerfen.
Vorsichtig näherte er sich wieder der Fensterscharte. Unten wurde nun gekämpft, aber seltsam und mehrdeutig. Nicht wie bei einem Überfall oder einer Belagerung. Mehr wie bei einer Sturmflut. Als Kind hatte Serach in Saghi einmal einen solchen Kampf erlebt. Menschen gegen das andrängende, rasende und vor Tollwut gischtsprühende Meer. Ein stiller Kampf, da aussichtslos. Nur die Zeit gewann. Nur die Zeit.
Der Wachsoldat riss einen Wandteppich herunter, wirbelte ihn wie einen Zaubertrick und hieb damit auf das Feuer ein, dass sich im Raum auszubreiten suchte. Dabei brabbelte der Soldat die ganze Zeit etwas, war aber beim besten Willen nicht zu verstehen.
Im Licht eines Brandes konnte der Baron nun die Mauerzinnen genauer sehen. Was da hochgestiegen war und nun innen an senkrechter Wand wieder hinunterschabte, waren Reptilien, ins riesenhafte aufgeblähteEchsenwesen. Würmer mit Armen. Fischaffen. Mollusken. Muscheln mit Zähnen. Pflanzen mit Dornenfratzen. Albtraumwesen in unendlicher Zahl.
Das Schloss war verloren.
Das Traktat.
Das Baronat.
Aber wie war das möglich? Warum hatte sie niemand gewarnt? Selbst wenn dies die Dämonen aus dem Schlund waren, dann mussten sie doch schon mehrere Tagesreisen lang unterwegs gewesen sein, und niemand, kein berittener Flüchtling, kein rennender Landmann hatte das Schloss vor ihnen erreicht und die Bewohner in Alarmbereitschaft versetzt. Wie war das möglich?
Weil es keine Überlebenden gab. Keinen Einzigen zwischen hier und dem Schlund. Es gab nichts mehr. Dies war nun der neue Rand des Dämonenschlundes.
Unten brüllten die Träger Todesschreie in die Nacht. Der Hauptturm wurde also bereits gestürmt.
Was blieb noch zu tun? Worin bestand die Pflicht eines vom Volk gewählten Barons, wenn alles, auch das Volk, verloren war?
»Jemand muss überleben«, brachte Serach mühsam hervor. Dann herrschte er übergangslos den brabbelnden Soldaten an: »Die Königin muss gewarnt werden! Jemand muss auf einem Pferd lebend hier rauskommen! Trag dafür Sorge, Kerl, dass jemand hier lebend raus nach Norden kommt! Hörst du mich? Lass es doch brennen! Pack dich nach Norden!«
»Nach Norden?« Das rußige Gesicht des Soldaten zuckte vor Anstrengung.
»Zur Königin!«, meißelte der Baron ihm mitten ins Gesicht.
»Zur Königin, ich verstehe!«
»Orison wird von Dämonen verschlungen! Nimm nicht die Rampe! Seile dich aus einem der Fenster ab! Mach schon, beeil dich doch, du Tölpel!«
Der Soldat, dessen Name Kunn Berbes war, hatte kein Seil bei sich. Aber er knüpfte geschickt aus mehreren Wandbehängen, mannshohen Kerzenständern, einem Stuhl und einem hastig umgeworfenen und somit geleerten Bücherregal ein verwinkeltes Gebilde, an dem hinab er den Höhenunterschied bis zum nächsttieferen Mauerumlauf überwinden konnte. Der Baron war zu langsam, um ihm helfen zu können. Von unten herauf drang weiterhin das Gurgeln des Mordens, und erste scharrende, tappende Monstrositätenfüße wurden auf der Rampe hörbar. Von oben war jetzt auch etwas zu hören: Die Wachtposten der Turmplattform kamen nach unten gelaufen, um ihrem Baron beizustehen. Sie waren das letzte Aufgebot Beherzter.
Der Soldat zögerte noch, machte Anstalten, zum Baron zurückzugehen, um diesen zu ergreifen, huckepack zu nehmen und in Sicherheit zu bringen.
Serach den Saghis Gesicht verzerrte sich vor Zorn. »Lass mich, bist du närrisch geworden? Willst du dich auf der Flucht mit einem sterbenden Greis belasten? Du hast eine Aufgabe! Die Welt wird untergehen, und alle Menschen mit ihr, wenn du scheiterst!«
Der Soldat nickte und salutierte. Eine Geste der
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