Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Titel: Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Blüte, alles in Bewegung, die Beine hintereinander geschachtelt wie ein einziges, während Stacheln und Schnüre von ihm abstanden wie mächtige Ziffern. Dann senkte er die Arme wieder und wandte sich schwerfällig zu Adain hin um, ein Rauch atmender Riese vor einer zerbrechlich wirkenden Frau.
    Adain lächelte, denn Die Stimme und Das Schweigen verliehen ihr Sicherheit. Der Wüstendämon schien nach ihr zu schnuppern. Sein augenloses Gesicht näherte sich ihr.
    »Du riechst eine Menschenfrau? Lass dich nicht täuschen. Das ist nur mein Gewand. Ich selbst bin ein anderer, Adain, im Inneren.«
    Der Gäus verharrte, als müsse er sich sammeln.
    »Es ist schade, dass du nicht sprechen kannst, um mir meine Fragen zu beantworten«, fuhr Adain im Plauderton fort. »Wie wurdest du geboren? Wo wurdest du geboren? Warum gibt es Große und Mannshohe? Gibt es auch für euch eine Aufzucht? Liegt sie vielleicht im Ursprung des Weiß-Seins, mitten in der Senke von Zegwicu? Oder dort, wo es früher den Gramwald gab? Vielleicht kannst du nicht sprechen, weil meine Fragen nicht von Bedeutung sind. Ja, ich verstehe schon. Was du mir sagen sollst, ist, dass mein Kommen von entscheidender Bedeutung ist. Ich kann euch alle freisetzen, die ihr in den Fallstricken dieses Übergangs gefangen seid. Ich habe das begriffen und werde meinen Weg nach Norden unverzüglich fortsetzen.«
    Der Gäus nickte nicht und schüttelte auch nicht den Kopf. Womöglich war die Sprache der Menschen ihm vollkommen fremd, und selbst das Singen der Stadt bedeutete ihm mehr. Er begann zu gehen, in irgendeiner Richtung, und Adain folgte ihm, weil sie hoffte, er würde sie aus dem Labyrinth der geschmolzenen Stadt hinausführen. Doch irgendwann überstieg er eine Mauer, und Adain fiel zurück, weil sie diese erst überklettern musste, und er stieg über ein niedriges Haus, und Adain verlor ihn vollends aus den Augen. Eine Weile später konnte sie ihn noch einmal sehen, seinen Rücken und seinen gedrungenen Kopf, schaukelnd zwischen bizarr verformten Türmen. Dann war er verschwunden, und auch seine Schritte hallten nirgendwo mehr wider. Ein Gespenst von riesenhaftem Wuchs.
    Sie musste ihren eigenen Weg finden. Ihr menschlicher Magen knurrte, hungerte schon wieder nach Menschenfleisch. Und tatsächlich, als würde in dieser Stadt jemand ihre Begehrlichkeiten erhören, stieß sie auf einen Leichnam. Seit 210 Jahren stand jener hinter einem Tresen, der einstmals eine Ladentheke gewesen zu sein schien, nur dass alle Waren längst verrottet waren. Der Leichnam jedoch sah noch verhältnismäßig intakt aus. Seine Rippen waren alle zu sehen, sein eines Auge war ausgelaufen, die Nase nur noch ein klaffendes Loch, drei Zähne waren ihm verblieben, doch er stand da mit leicht gesenktem Kopf wie in einer Erwartungshaltung, wie bereit, den Wünschen eines Kunden zuzuhören. Er schien sogar zu schmunzeln.
    Adain schmunzelte ebenfalls. Dann lachte sie wieder, zum zweiten oder dritten Mal in ihrem Leben. »Nein, lass mal gut sein«, sagte sie zu dem freundlichen Leichnam. »Ist wirklich ein nett gemeintes Angebot, aber ich bevorzuge Männer, die ein kleines bisschen … jünger sind. Und mein Schiffsmädchen, nun, mein Schiffsmädchen ist noch sehr viel kapriziöser als ich.«
    Immer noch lachend ging sie durch die Straßen, die schief waren und angehoben, rissig oder sogar aufgeplatzt. Sie passierte eine ärmere Siedlung, in der sämtliche Gebäude zu einem unförmigen Klumpen zusammengerutscht waren, sowie einen Park mit Bäumen, die offensichtlich verbrannt waren. Adain stellte sich vor, wie ihre Zweige Flammen vom Himmel fischten und auf den Stamm herunterspringen ließen wie rotglühende Eichhörnchen. All das war so lange her, so lange her, und dennoch hätte Adain es miterleben können, wenn sie der Aufforderung ihres Königs Orison, im Kriegsgeschehen mitzumischen, gefolgt wäre.
    Aber gezwungen hatte er sie nicht.
    Bedeutete das, dass er sie am Ende eingeplant hatte in seinen großen Weltenentwurf? Ihr Überleben? Ihr Studieren seiner Schriften? Ihr zögerliches Hinaufkommen? Und ihr Desertieren aus den kleinlichen und sinnentleerten Gefechten der Menschen?
    Nach Stunden erreichte sie die äußere, unebene Mauer und musste an ihr noch eine Weile entlanggehen, bis sie das Beiboot mit den beiden dösenden Kindern darin erreichte. Koaron hatte das Segel zum Schattenspenden über sich und Voy gehängt. Voy sah so elend aus, als würde sie in wenigen Stunden

Weitere Kostenlose Bücher