Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
regnete es oft in ihr. Das Wasser vermischte sich mit dem weißen Aschesand zu gräulichem Schlick, dann versickerte die Feuchtigkeit oder verdampfte nebelig unter den mitleidig lächelnden Strahlen der Sonne, und absolut nichts gedieh.
An der Küste jedoch, in Aztrivavez, wusste man den Regen zu schätzen. Er füllte die Brauchwasserzisternen und auch die Trinkfässer, über die jeder Hausquader verfügte. Der Regen war rein und köstlich. Er stammte aus einer Hemisphäre, die nicht von der großen Weiß-Sagung vergiftet worden war. Er stammte, behaupteten einige, von den Wasserfällen, die in den leuchtenden Städten des Himmels die Parkanlagen durchrauschten.
Dass das Auslaufen der neuesten Kriegsflotte gegen die Bescheidenen auf einen Regentag fiel, wurde in Aztrivavez also allgemein als gutes Vorzeichen begrüßt, ganz so, als hätten die leuchtenden Städte des Himmels der bevorstehenden Unternehmung ihren Segen erteilt.
Zehn Miralbras sollten über Land den beschwerlichen Weg nach Kirr zurücklegen, um dem Feind in den Rücken zu fallen. Gewöhnlich war das bedeutend näherliegende Tjet das Angriffsziel der Aztrivavezer, aber das war ein bereits dermaßen vorhersehbares Vorgehen, dass die Bescheidenen inzwischen schon mit eingespielter Routine dagegen zu kontern verstanden, und mit dem neuartig gigantischen roten Hund in der Hinterhand hoffte Fürst Glengo Dihn darauf, endlich wirklich einschneidende Ergebnisse erzielen zu können. Diesmal war nicht nur geplant, Schaden zu verursachen, möglichst viel Beute und Gefangene zu machen, Verwirrung und Furcht hervorzurufen und dem hartnäckigen Dauergegner weitere Vorstöße und Vergeltungsmaßnahmen weitestgehend zu verleiden, sondern diesmal ging es darum, die Stadt Kirr einzunehmen. Von dort aus sollte dann ein Meldeboot nach Aztrivavez aufbrechen und den Vollzug bestätigen, sodass eine sich schon vorher bereithaltende Seeflotte nach Tjet losgeschickt würde, um auch diese Stadt vom Hafen aus anzugreifen. Der Fürst und sein Berater rechneten damit, dass der König der Bescheidenen den Verlust von Kirr nicht einfach hinnehmen, sondern von Cer und Tjet aus Unterstützungstruppen losschicken würde, um Kirr zurückzuerobern. Dadurch aber würden alle Blicke sich nach Norden richten, Cer und Tjet wären geschwächt, und Tjet könnte einem Überraschungsangriff von der Seeseite aus nicht mehr ausreichend standhalten. Auf einen Schlag wäre dann Cer, die Stadt, in der der unrechtmäßige König residierte – und die von Fürst Glengo Dihn nach wie vor als uneinnehmbar eingeschätzt wurde – von ihren beiden Schwesterstädten isoliert und hätte einem langfristigen Aushungern nichts mehr entgegenzusetzen. Mit diesem einzigen zweigeteilten Vorstoß über Land und über Wasser könnte das seit Jahrzehnten währende und sich immer weiter aufschaukelnde Problem mit den Bescheidenen ein für alle Mal gelöst werden.
Dereiferer hatte, von starken Hinterleibsblutungen auf ein Krankenlager zurückgeworfen, unter schaumigem Gelächter diesen Plan mitentwickelt und gutgeheißen. Der Fürst allein war es jedoch, der in den regenüberfluteten Sanddocks von einem tragbaren, mit Blumen geschmückten Zeltdachpodium herab eine prasselnde Ansprache an die angetretenen Besatzungen der zehn auslaufenden Schiffe hielt. Zusätzlich zu den zehn Frauen und Männern, die die Mannschaft jedes einzelnen Schiffes bildeten, waren auf jedem Schiff noch dreißig Soldaten stationiert worden, verhältnismäßig bunte, von einem sogenannten Präpositus befehligte Kohorten, die zusammengesetzt waren aus Bescheidenen vertilgern, fürstlichen Gardisten, Dockwächtern, einer in Phantasieuniformen gekleideten Bürgerwehr, städtischen Nachtposten und verängstigten Angehörigen des stehenden Verteidigungsheeres, dessen Aufgabe normalerweise darin bestand, die Stadt Aztrivavez gegen Angriffe von Land und See zu schützen, und die sich draußen in der Wüste vollkommen fehl am Platze fühlten. Insgesamt also vierhundert Frauen und Männer, ein deutlich größeres Aufgebot als bei bisherigen Vorstößen gegen die Bescheidenen , und vierhundert weitere Frauen und Männer würden in voraussichtlich drei Wochen in See stechen, um als zweiter Kiefer der Angriffszange Tjet zu attackieren.
»Die große Weiß-Sagung hat nie bewirken wollen«, hieß es in der Ansprache des Fürsten, »dass es zwei verschiedene Glaubensrichtungen gibt, zwei konkurrierende Ansichten, zwei miteinander buhlende Regierungsformen.
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