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Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Titel: Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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dieser belastete sein linkes Bein beinahe gar nicht mehr, hüpfte stattdessen auf dem rechten, um den für ihn winzigen Menschen noch mehr schlecht als recht im Auge behalten zu können. Das Hüpfen wiederum war nicht ungefährlich für den König, der sich dem rechten Fuß zu nähern suchte. Einmal rollte er gerade noch unter dem niedersausenden Fuß hindurch, und die Zuschauer waren zu atemlos, um ihren Lobeslaut anzustimmen. Auch der Zeremonienmeister wischte sich mit einem Ärmel seiner Robe den Schweiß von der Stirn.
    Dann bekam der König die rechte Ferse des Großen zu packen. Mit dem springenden Fuß ließ er sich hinauftragen – und als der Fuß wieder herabkam, fehlte ihm wie dem linken die hintere Sehne. Abermals wallte Qualm auf und vereinnahmte den abspringenden König beinahe völlig. Millionen von Schneeglöckchen schienen über den weiten Platz hinzuwehen.
    Der Große brach nun auf die Knie. In dieser Phase wurde er dem König am gefährlichsten. Denn er brauchte sich nun nicht mehr umständlich weit zu bücken, um mit seinen Händen den Boden zu erreichen. Er hockte sich einfach auf seine zerfetzten Fersen zurück und wischte anschließend mit nach vorne gekrümmtem Oberkörper weiträumig mit beiden Armen über den Grund.
    Paner Eleod setzte mit einer Hechtrolle über den ersten wischenden Arm hinweg, den zweiten, der nicht ganz am Boden entlangschabte, untertauchte er um Haaresbreite, über den dritten musste er mit dem Aufsetzen einer Hand seitlich hinwegflanken, dem vierten wich er nach außen hin aus, beim fünften überrannte er die tastenden Finger wie bockig sich gebärdende Baumstämme auf einem Wildwasser, auf den sechsten Versuch, ihn zu treffen, sprang er auf. Ein paar Schritt weit riss dieser fegende Ellenbogen den mit seinen eigenen Armen rudernden König aus seiner Bahn, dann sprang er von dort auf weiter aufwärts und zog sich über die Schulter des Irathindurs bis hinauf in dessen gekrümmten Rücken. Die Menge hielt immer noch den Atem an. Ein leicht verwirrter Greis musste von anderen Zuschauern zurückgehalten werden, denn er wollte den wohlriechenden Rauch des Großen mit seinen Händen greifen gehen.
    Paner Eleod stand nun zwischen den Schulterblättern des Riesen. Der hob beide Hände und winkelte die Armbeugen an, um mit tastenden Fingern nach dem Gegner in seinem Nacken zu greifen. Alles musste schnell gehen.
    Alles ging schnell. Der König sprach die formelhaften Worte: »Ich nehme deine Gabe an, majestätische Blume der Wüste.« Dann rammte er dem Großen beide unbewaffneten Hände in den Nacken und zog an etwas, das unsichtbar darin verborgen war. Die erhobenen Arme des Irathindurs erstarrten in angespannter, nach hinten verdrehter Haltung. Sein Mund öffnete sich weit, das entfernte Zwitschern war noch einmal zu hören, dann quoll ihm fettiger Rauch über die nur schmal angedeuteten Lippen. Dann Tränen aus Qualm aus den Augen. Dann aus den Ohren. Eine Nase besaß dieser Große nicht. Paner Eleod zog noch einmal mit einem Ruck an dem wie aus Wurzelwerk sich anfühlenden Wirbelstrang im Inneren. Für einen Moment wurde der Große durchscheinend wie Wasser. Der König der Bescheidenen schien nackt auf einer haushohen Woge zu reiten. Dann flackerten die Umrisse. Der Irathindur sackte mit einem Seufzen aus Rauch nach vorne zusammen. Der König kam so dem Erdboden näher und konnte absteigen.
    Schneeglöckchenqualm durchwaberte den gesamten weiten Platz. Der Qualm schien ein Eigenleben zu besitzen und Tentakel auszubilden, doch das wirkte nur so im unsteten Licht der Fackeln. Die Gesamtheit aller Zuschauer formulierte nun ein deutlich verständliches, ausatmendes »Eeeeleeeeooooode«. Doch das Ritual war noch nicht abgeschlossen.
    Der König ging um den riesigen Kopf des Irathindur herum, der auf der Stirn auflag. Rauch quoll unter diesem Gesicht hervor wie schwarz verdichteter Geist. Der Körper des Irathindurs sah jetzt so mager aus, als wäre er vor Hunger zusammengebrochen. Der mattgoldene Farbton wirkte nun kränklich grün.
    Der König schloss dem Irathindur erst das eine, dann das andere Auge. Dabei sagte er leise: »Verschließe dich vor der Einsamkeit des Außen und nimm meine Einladung an.« Abschließend stellte er sich direkt vor die Oberseite des kahlen Gigantenschädels, legte seine beiden Handflächen dagegen und seine eigene Stirn dazwischen. Das Gebet, das der König dabei sprach, lautete:
     
    »Aus dem Weiß wurdest du geboren
    Zu Weiß wirst du nun

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