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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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beherrscht mit ihren Fragen das Gespräch.
    »Mein lieber verstorbener Anwalt.« Chandonne schnalzt mit der Zunge. »Ich weiß beim besten Willen nicht, warum er Selbstmord begangen hat. Aber vielleicht hat es ja etwas Gutes. Er war nichts wert. Das liegt in seiner Familie.«
    Scarpetta bückt sich und nimmt Notizblock und Stift aus der Handtasche. »Sie sagten, Sie hätten Informationen für mich. Deshalb bin ich hier. Wenn Sie nur plaudern wollen, gehe ich auf der Stelle. Ich habe kein Interesse an einem Freundschaftsbesuch bei Ihnen.«
    »Der andere Teil der Abmachung, Madame Scarpetta«, fährt er fort, während seine schief sitzenden Augen weiter durch den Raum huschen, »betrifft meine Hinrichtung. Werden Sie es tun?«
    »Das macht mir keine Probleme.«
    Er lächelt und scheint erfreut. »Erzählen Sie mal.« Er stützt das Kinn in die Hand. »Wie wird das denn so sein?«
    »Schmerzlos. Eine Infusion mit Natriumthiopental, einem Beruhigungsmittel, und Pankuroniumbromid, einem Muskelentspanner. Kaliumchlorid führt zum Herzstillstand.« Sie beschreibt den Vorgang sachlich, während er gebannt lauscht. »Interessanterweise ziemlich preiswerte Medikamente, was eigentlich auch passt, wenn man den Zweck bedenkt. Der Tod tritt in wenigen Minuten ein.«
    »Und ich werde nicht leiden, während Sie mir das antun?«
    »Sie werden niemals so leiden, wie Sie Ihre Opfer haben leiden lassen. Sie schlafen sofort ein.«
    »Dann versprechen Sie mir also, ganz zum Schluss meine Ärztin zu sein?« Er beginnt, die Pepsi-Dose zu liebkosen. Der abscheulich lange Nagel am rechten Daumen ist mit Schokolade verkrustet, die vermutlich von dem Eclair stammt.
    »Ich werde tun, was Sie verlangen, wenn Sie bereit sind, der Polizei zu helfen. Was sind das für Informationen?«
    Er nennt ihr Namen und Orte, die ihr alle nichts bedeuten. Während sie zwanzig Seiten in ihrem Notizblock vollschreibt, wächst ihr Argwohn, dass er nur mit ihr spielen könnte. Die Informationen sind sinnlos. Vielleicht.
    In einer Pause, in der er beschließt, gemächlich den Rest seines Eclairs zu verspeisen, fragt sie: »Wo sind Ihr Bruder und Bev Kiffin?«
    Als er sich Hände und Mund am Hemd abwischt, tanzen seine sehnigen Muskeln bei jeder Bewegung. Chandonne ist stark und beängstigend behände. Sie versucht, die Erinnerung an jene Nacht in ihrem Haus wegzuschieben, als dieser Mann, von dem sie jetzt nur eine Glasscheibe trennt, versucht hat, sie totzuschlagen. Dann wieder sieht sie das Gesicht von Jay Talley, der sie getäuscht und anschließend auch tätlich angegriffen hat. Dass beide zweieiigen Zwillingsbrüder von dem Wunsch besessen sind, sie umzubringen, bleibt für Scarpetta weiter unverständlich. Sie kann es nicht wirklich glauben, und es erstaunt sie, dass sie, während sie Jean-Baptiste anstarrt, nur noch die feste Entschlossenheit verspürt, die Schrecken der Vergangenheit zu vergessen. In diesem Gefängnis kann er ihr nichts anhaben. Und in ein paar Tagen wird er tot sein.
    Er verrät ihr nichts über Jay Talley und Bev Kiffin.
    Stattdessen erwidert er: »Rocco hat ein kleines Chateau in Baton Rouge. Es ist ein altes Haus in einem sanierten Viertel in Innenstadtnähe, wo viele Homosexuelle leben. Ich war schon oft dort.«
    »Kennen Sie eine gewisse Charlotte Dard aus Baton Rouge?«
    »Natürlich. Sie war meinem Bruder nicht schön genug.«
    »Hat Rocco Caggiano sie ermordet?«
    »Nein.« Chandonne seufzt auf, als würde ihm allmählich langweilig. »Wie ich schon sagte - Sie müssen mir einfach besSER zuhören - sie war meinem Bruder nicht schön genug. Der Rote Stab.« Er schenkt ihr ein abscheuliches Grinsen mit offen stehendem Mund, während sein Blick weiter ziellos umherhuscht. »Wissen Sie, dass alles, was Sie sind, an Ihren Händen sichtbar wird?«
    Scarpettas Hände befinden sich auf ihrem Schoß und halten Notizblock und Stift. Er spricht über ihre Hände, als könnte er sie sehen, und dennoch schweifen seine Augen umher wie bei einem Blinden.
    Simulant.
    »Gott versieht die Hände aller Menschensöhne mit Zeichen, damit alle Menschensöhne ihre eigenen Werke erkennen. Jedes Werk des Verstandes hinterlässt ein Zeichen auf der Hand und formt diese, sodass sie zum Maßstab der Intelligenz und Kreativität wird.«
    Sie lauscht und fragt sich, ob er auf etwas Wichtiges hinauswill.
    »In Frankreich finden sich hauptsächlich Künstlerhände. So wie meine.« Er hält eine rasierte Hand hoch und spreizt die langen, spitz zulaufenden Finger.

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