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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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petrochemischen Fabriken zu überfliegen, um nicht zur Landung gezwungen zu werden. Lucy hat einige grell orangefarbene Dauphine-Helikopter bemerkt, wie sie normalerweise die Küstenwache benutzt; inzwischen gehört die Küstenwache zum Heimatschutz und ist ständig auf Terroristenjagd. Deshalb ist es heutzutage auch nicht ratsam, einer petrochemischen Fabrik zu nahe zu kommen. Noch fataler wäre es jedoch, mit einer dreihundert Meter hohen Antenne zu kollidieren. Lucy hat die Fluggeschwindigkeit auf neunzig Knoten reduziert, denn sie hat es mit der Rückkehr zum Flughafen nicht eilig. Sie überlegt, ob nun der richtige Zeitpunkt ist, um Marino reinen Wein einzuschenken.
    Solange sie in der Luft ist und auf Hindernisse achten muss, kann sie ihn nicht ansehen. Ihr Magen krampft sich zusammen, und ihr Puls wird schneller.
    »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll...«, beginnt sie.
    »Du brauchst nichts zu sagen«, erwidert er. »Ich weiß es bereits.«
    »Woher?« Sie ist gleichzeitig verwirrt und erschrocken.
    »Ich bin Detective, schon vergessen? Chandonne hat zwei versiegelte Briefe abgeschickt. Einen an dich und einen an mich, beide in Umschlägen der National Academy of Justice. Deinen hast du mich nie lesen lassen. Du hast gesagt, es handle sich nur um das Gestammel eines Verrückten. Ich hätte darauf bestehen können, aber etwas hat mir geraten, es nicht zu tun. Dann waren du und Rudy plötzlich verschwunden, und ein paar Tage später erfahre ich, dass Rocco tot ist. Ich frage dich nur, ob Chandonne dir mitgeteilt hat, wo du Rocco finden kannst, und ob er dir die notwendigen Informationen gegeben hat, um ihn auf die Fahndungsliste von Interpol zu setzen.«
    »Ja. Den Brief habe ich dir nicht gezeigt, weil ich Angst hatte, du könntest selbst nach Polen fahren.«
    »Was hätte ich dort tun sollen?«
    »Dreimal darfst du raten. Wenn du ihn in diesem Hotelzimmer angetroffen, ihn endlich zur Rede gestellt und ihn so gesehen hättest, wie er wirklich war, was hättest du dann wohl getan?«
    »Vermutlich dasselbe wie du und Rudy«, entgegnet Marino.
    »Ich kann dir die Einzelheiten erzählen.«
    »Ich will sie nicht wissen.«
    »Vielleicht hättest du es nicht über dich gebracht, Marino. Gott sei Dank nicht. Schließlich war er dein Sohn«, sagt sie. »Und irgendwo tief in deinem Herzen hast du ihn geliebt.«
    »Was mir noch mehr wehtut als sein Tod ist, dass das nicht stimmt«, erwidert Marino.

115
    Die erste Blutspur befindet sich einen Meter hinter der Eingangstür; es ist ein einziger Tropfen von der Größe eines Fünf-Cent-Stücks, absolut rund mit einem gezackten Rand, der an das Blatt einer Kreissäge erinnert.
    Neunzig-Grad-Winkel, denkt Scarpetta. Ein durch die Luft fliegender Blutstropfen nimmt eine nahezu perfekte Kugelform an, die beim Aufprall erhalten bleibt, wenn das Blut in einem Neunzig-Grad-Winkel und in gerader Linie zu Boden fällt. An der Teppichkante vor dem Sofa scheint eine blutige Stelle von einem Fuß verschmiert worden zu sein, so als wäre jemand auf die mit Blut bespritzten Fliesen getreten und ausgerutscht. Scarpetta nähert sich, um die Stelle zu betrachten, starrt auf den trockenen, dunkelroten Fleck, wendet dann den Kopf und blickt Dr. Lanier an. Als er herankommt, deutet sie auf einen fast nicht wahrzunehmenden Teilabdruck eines Schuhabsatzes mit einem Profil aus kleinen Wellen, die Scarpetta an eine Kinderzeichnung vom Meer erinnern.
    Eric beginnt zu fotografieren.
    Neben dem Sofa setzen sich die Kampfspuren rings um einen Couchtisch aus Glas und Schmiedeeisen fort, der schief steht. Der Teppich darunter ist verschoben, und ein Stück weiter wurde ein Kopf gegen die Wand gestoßen.
    »Wischspuren von Haaren.« Scarpetta deutet auf das blutige, federförmige Muster, das den blassrosa Anstrich bedeckt.
    Die Tür geht auf, und ein Polizist in Zivil kommt herein. Er hat dunkles Haar mit zurückweichendem Ansatz. Erst sieht er zwischen Dr. Lanier und Eric hin und her, dann bleibt sein Blick an Scarpetta hängen.
    »Wer ist sie?«, fragt er.
    »Fangen wir doch besser erst mal bei Ihnen an«, entgegnet Dr. Lanier.
    Der Polizist wirkt bedrohlich, weil er so nervös ist. Seine Augen huschen in Richtung des hinteren Teils des Hauses. »Detective Clarke aus Zachary.« Als er nach einer Fliege schlägt, sieht man durch die durchscheinenden Latexhandschuhe, die sich über seinen großen Händen spannen, die schwarzen Haare auf seinen Fingern. »Ich bin letzten Monat zur Kriminalpolizei

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