Die Dämonen ruhen nicht
fließt und rinnt er ihm die Arme entlang, färbt sein Haar, macht es klebrig und lässt seine Zähne schmerzen vor Seligkeit!
»Wer ist da f«
Er bekommt nur selten eine Antwort.
Nach zwei Jahren haben die Strafvollzugsbeamten, die zum Dienst im Todestrakt eingeteilt sind, den Mutanten und Spinner Jean-Baptiste Chandonne fürchten gelernt. Sie freuen sich, dass bald Schluss mit ihm sein wird. Der französische Werwolf mit dem deformierten Penis und dem behaarten Körper stößt sie ab. Sein Gesicht besteht aus zwei ungleichen Hälften, als wären die beiden Seiten im Mutterleib schlampig zusammengesetzt worden. Ein Auge sitzt tiefer als das andere, seine winzigen Milchzähne sind spitz und stehen weit auseinander. Bis vor kurzem hat Jean-Baptiste sich täglich rasiert. Inzwischen tut er es nicht mehr. Er hat ein Recht darauf. In den letzten vier Monaten vor der Hinrichtung muss sich ein Verurteilter nicht mehr rasieren. Er darf mit langen Haaren und Bart in die Todeskammer gehen.
Allerdings haben die anderen Häftlinge keine flaumigen Haarwirbel, die jeden Zentimeter ihres Körpers mit Ausnahme von Schleimhäuten, Handflächen und Fußsohlen bedecken. Da Jean-Baptiste sich seit zwei Monaten nicht rasiert hat, sind sein magerer, sehniger Körper, sein gesamtes Gesicht, der Hals und sogar die Handrücken mit gut sieben Zentimeter langen Haaren bewachsen. Die anderen Insassen des Todestrakts witzeln, dass Jean-Baptistes Opfer vermutlich vor Angst gestorben sind, bevor er überhaupt Gelegenheit hatte, sie zu Hackfleisch zu schlagen und zu beißen.
»Bulettenmann!«
Jean-Baptiste soll diese Hänseleien hören, und er erhält auch schriftliche Beleidigungen in Form von Zetteln - oder Kassibern, wie sie hier heißen -, die von Zelle zu Zelle durch die Türspalte weitergegeben werden wie Kettenbriefe, bis sie den Adressaten erreichen. Er zerkaut die Zettel zu Brei und schluckt sie hinunter. Manchmal sind es bis zu zehn Stück. Er kann jedes Wort schmecken, das darauf steht.
»Schade, dass er mit seinem haarigen Arsch nicht auf den Stuhl kommt, dann würde er richtig durchgebraten, bis er gar ist.« Dies oder Ähnliches hat er die Wachen sagen hören.
»Dann würde der ganze Laden hier nach verbrannten Haaren stinken.«»Ein Jammer, dass wir sie nicht kahl rasieren dürfen wie eine Billardkugel, bevor sie die Nadel kriegen.«
»Schade, dass sie heutzutage nicht mehr gebraten werden. Die Scheißkerle haben es viel zu leicht. Ein kleiner Piekser und dann gute Nacht.«
»Für den Wolfmann stellen wir den Saft noch extra kalt.«
13
Jean-Baptiste sitzt auf der Toilette und spitzt die Ohren, als ob er jetzt, in diesem Augenblick, solche abfälligen Bemerkungen hören könnte, doch draußen vor seiner Tür ist es still.
Den Saft kalt zu stellen ist das schmutzige Geheimnis der Mannschaften, die den Verurteilten fesseln und ihm die Infusion legen, um ihn bei der Hinrichtung nur zum Spaß ein bisschen zu quälen. Der für die tödlichen Substanzen Verantwortliche legt diese für den Transport vom verschlossenen Kühlschrank in die Todeskammer in eine Kühlbox. Jean-Baptiste hat andere Insassen des Todestrakts sagen hören, die Drogen würden stärker als notwendig und fast bis zum Gefrierpunkt gekühlt. Denn das Hinrichtungsteam finde es nur gerecht, dass der Verurteilte den Kälteschock in der Vene spürt, wenn genug Gift, um damit vier Pferde umzubringen, durch die Nadel in sein Blut schießt. Ruft der Todeskandidat nicht »Oh Gott!«, »Jesus!« oder etwas dergleichen, wenn er den eiskalten bevorstehenden Tod fühlt, sind die Mitglieder des Hinrichtungsteams enttäuscht und sauer.
»Der letzte Typ hatte ordentlich Kältekopfweh«, rufen Stimmen und hallen von den Stahltüren wider, wenn die Gefangenen die Geschichten immer wieder zum Besten geben.
»Es war zum Schreien. Hast du gehört, wie er gebrüllt hat, als das Zeug einschlug?«
»Das war sicher nicht das Radio.«
»Er hat nach seiner Mama gebettelt.«
»Viele Huren, die ich mir vorgeknöpft habe, haben nach ihrer Mama gerufen. >Mama! Mama! Mama!<, hat die letzte gekreischt.« Der Mann, den die anderen Insassen Biest nennen, prahlt wieder einmal mit seinen Taten.
Er hält seine Geschichten für witzig.
»Du bist ein Arschloch. Ich glaub’s nicht, dass der Gouverneur dir noch einen Monat gegeben hat, du Wichser!«
Biest ist der Urheber der meisten Hinrichtungsgeschichten, die in den Zellen im Todestrakt die Runde machen. Einmal ist er bereits mit dem
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