Die Dämonen ruhen nicht
Französisch am Telefon. Vergiss nicht, was dem Kannibalen Jeffrey Dahmer passiert ist. Er wurde mit einem Wischmopp totgeschlagen - oder war es ein Besen?
Jean-Baptiste wurde emotional totgeschlagen, als sein Vater das sagte, all seine Hoffnung war mit einem Mal dahin. Jean- Baptiste hat sich auf seinen Verstand verlassen und auf dem Flug nach Houston seine prekäre Lage gründlich durchdacht.Er erinnert sich noch deutlich an das Schild mit der Aufschrift »Willkommen in Humble« und an ein Holiday Inn mit einem Cafe namens Hole in One, obwohl nirgendwo ein Golfplatz zu sehen war, nur dürres Laub und tote Bäume und scheinbar endlose Reihen von schlaffen Telefonleitungen, räudigen Nadelbäumen, Futtermittelhandlungen, Wohnwagensiedlungen, von Gebäuden ohne Dach und Fertighäusern auf Betonklötzen. Dann verließ die Wagenkolonne den Highway 59 Nord. Die Beamten von FBI und örtlicher Polizei behandelten Jean- Baptiste wie Frankenstein.
Manierlich und verschnürt a la Houdini saß er auf dem Rücksitz eines weißen Ford LTD. Die Wagenkolonne bog in eine einsame, von Gebüsch gesäumte Straße ein, die nach einer Weile durch den Wald führte. Als sie die Strafanstalt Polunksy der Strafvollzugsbehörden des Staates Texas erreichten, spürte er, wie die Sonne sich den grauen Himmel zurückeroberte und der Tag freundlicher wurde. Jean-Baptiste verstand das als Zeichen.
Er wartet geduldig und stellt sich vor, dass Meteoritenregen niedergehen und gewaltige Bataillone marschieren, wenn er es so will. Wie einfach das ist! Die Menschen sind Narren, weil sie so unsinnige Regeln aufstellen! Auch wenn die Gefängnisverwaltung ihm das Radio wegnimmt und ihn bestraft, indem sie sein Essen püriert und es anschließend zu Frikadellen bäckt, kann niemand seinen Magnetismus außer Kraft setzen oder ihm das Recht verweigern, unzensierte Post zu verschicken und zu empfangen. Wenn er einen Umschlag mit »Anwaltsbrief« oder »Medienbrief« beschriftet, darf kein Gefängnismitarbeiter ihn öffnen. Jean-Baptiste schickt nach Belieben Briefe an Rocco Caggiano. Hin und wieder erhält er Post auf demselben Weg. Das ist die größte Freude für ihn, vor allem, weil Madame Scarpetta ihm vor kurzem geschrieben hat, da sie ihn nicht vergessen kann. Sie stand so kurz vor der Ekstase und hat durch ihre eigene Dummheit darauf und auf Jean-Bap- tistes Zuwendungen verzichten müssen. Seine selbstlose Absicht war es, ihren wunderschönen Körper dazu zu bringen, ihre Seele freizugeben. Ihr Dahinscheiden wäre der Gipfel der Vollkommenheit gewesen. Offenbar hat sie ihren schweren Fehler endlich eingesehen und sucht nun einen Vorwand, um ihn, Jean-Baptiste, zu treffen.
Wir werden uns wieder begegnen.
Jean-Baptiste verfügt über genügend Informationen, um das gesamte Chandonne-Kartell zu Fall zu bringen.
Und wenn sie das möchte, warum nicht? Wenn sie kommt, wird er einen Weg finden, ihre Erlösung zu vollenden und sie mit dem zu segnen, was sie sich wünscht. Der Ekstase. Der Ekstase!
Er hat ihren Brief in kleine Fetzen zerrissen, jedes Wort aufgegessen und dabei so heftig gekaut, dass er sich das Zahnfleisch aufgeschnitten hat.
Jean-Baptiste wuchtet sich von der Toilette und spart sich die Mühe des Hinunterspülens. Er zieht seine Hose hoch.
»Wer ist da?«
Auf dem Rücken seines weißen T-Shirts mit V-Ausschnitt steht in großen schwarzen Buchstaben DR für Death Row - Todestrakt. Außerdem ist es die Abkürzung für Doktor. Wieder ein Zeichen. Im Augenblick gehört er ihr, aber sie ist für immer sein. Sein Gefängnisoverall trieft von Schweiß. Er stinkt. Jean-Baptiste schwitzt ständig und riecht wie ein schmutziges Tier. Schmunzelnd denkt er an den letzten Gefangenen, der vor ein paar Wochen hingerichtet wurde. Ein alter Mann namens Pitt, der in Atlanta einen Polizisten getötet hat. Jahrelang hat Pitt ungestört Prostituierte ermordet und seine Opfer auf Parkplätzen oder mitten auf der Straße abgelegt. Doch als er einen Polizisten mit dreizehn Messerstichen umbrachte, hat er gegen die Regeln verstoßen.
Laut einem Gerücht im Todestrakt ist sein Tod nach genau zwei Minuten und sechsundfünfzig Sekunden eingetreten, als der Arzt den tödlichen Cocktail durch die Infusion in Pitts Venen rasen ließ wie einen Zug in einen Tunnel. Drei Ärzte wechseln sich bei den Hinrichtungen ab - das weiß er von Berichten aus den Medien oder von Gefangenen, die einen Aufschub ihrer Hinrichtung erhalten haben und aus Huntsville zurückkehrten.
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