Die Dämonen ruhen nicht
wenn er zufällig gegen ihre Brüste kam, und dass sie manchmal sogar den Anfang machten.
Eines Tages ist Bev einfach gegangen und nie zurückgekommen; genauso hat ihre Mutter es getan, als Bev drei Jahre war, und sie mit ihm und seinen Bedürfnissen allein gelassen. Als Bev älter wurde, war sie süchtig nach Männern und wechselte ständig die Liebhaber. Doch eine Trennung von Jay steht auf einem anderen Blatt, und sie könnte nicht sagen, warum sie nicht längst abgehauen ist. Sie weiß nicht genau, warum sie alles tun würde, was er von ihr verlangt, obwohl sie deshalb um ihre eigene Sicherheit fürchtet. Die Vorstellung, er könnte eines Tages für immer in seinem Boot davonfahren, erfüllt sie mit Angst. Allerdings würde ihr das recht geschehen, denn schließlich ist sie mit ihrem Vater, der 1997 von einem Herzinfarkt niedergestreckt wurde, genauso umgesprungen. Bev war nicht einmal bei seiner Beerdigung.
Wenn sie zum Ufer fährt, denkt sie hin und wieder an den Mississippi. An einem guten Tag könnte sie es in knapp sechs Stunden dorthin schaffen. Und sie spürt, dass Jay etwas von ihrem gelegentlichen Drang ahnt, an die Golfküste zu fliehen. Mehr als einmal hat er ihr erklärt, dass der Mississippi der größte Fluss der Vereinigten Staaten ist: mehr als anderthalbMillionen Kilometer raues, schlammiges Wasser und Seitenarme, die sich in Tausende von Bächlein, Sümpfen und Mooren verzweigen. Dort könnte sich ein Mensch so verirren, dass »sie als Skelett in ihrem Boot endet«, wie Jay es formulierte. Das genau waren seine Worte: sie und ihr, nicht er und sein, eine Ausdrucksweise, die kein Zufall ist. Jay verspricht sich nämlich nie und macht auch sonst keine Fehler.
Trotzdem träumt Bev, wenn sie mit ihrem Boot unterwegs ist, vom Mississippi, von Dampferkreuzfahrten und Casinos, von fruchtigen Cocktails und Bier in geeisten Gläsern und davon, sich vielleicht aus dem Fenster eines netten, klimatisierten Hotels den Mardi Gras anzuschauen. Sie fragt sich, ob sie gutes Essen überhaupt noch verträgt, so lange hat sie schon darauf verzichten müssen. In einem bequemen Bett würde sie wahrscheinlich steife Knochen kriegen und sich wund liegen, weil sie sich so an die stinkende, eingesackte Matratze gewöhnt hat, auf der nicht einmal Jay mehr schlafen will.
Während sie um einen aus dem Wasser ragenden Baumstamm herumkurvt, befürchtet sie schon, dieser könnte sich bewegen und Zähne haben, und sie bekommt Juckreiz, vor allem unter dem engen Taillenbündchen ihrer Jeans.
»Scheiße!« Mit einer Hand steuert sie, mit der anderen wühlt sie unter den Kleidern und kratzt ihre Haut, wo die Schwellung immer größer wird. »Verdammt! Ach, scheiße, was hat mich denn jetzt wieder gestochen?«
Sie atmet schwer, und Panik steigt in ihr hoch, als sie den Ganghebel in den Leerlauf schaltet, die Luke öffnet, in ihrer Badetasche nach dem Insektenschutzmittel kramt und sich von oben bis unten, sogar unter den Kleidern, einsprüht.
Das ist alles nur Einbildung, sagt Jay immer. Die Schwellungen sind angeblich keine Stiche, sondern ein Ausschlag, weil sie es mit den Nerven hat und halb durchgeknallt ist. Tja, bevor ich dich kennen gelernt habe, war ich nicht durch geknallt, antwortet sie ihm dann in Gedanken. Ich hatte noch nie im Leben Ausschläge, niemals, nicht einmal vom Giftefeu. Ein oder zwei Minuten lang lässt Bev sich auf dem Fluss treiben und denkt an das, was sie jetzt tun wird. Sie malt sich Jays Gesicht aus, wenn sie ihm bringt, was er will - und dann sein Gesicht für den Fall, dass sie versagen sollte.
Bev schiebt den Hebel vor, trimmt den Motor und rast mit sechzig Stundenkilometern weiter, viel zu schnell für diesen Teil des Tickfaw und leichtsinnig angesichts ihrer Angst vor dem dunklen Wasser und dem, was sich unter der Oberfläche verbirgt. Sie biegt links ab, drosselt abrupt die Geschwindigkeit, bremst ab und folgt einer Kurve in einen schmalen Bach, wo sie langsam und geräuschlos in einen Sumpf hineingleitet, der nach Tod riecht. Dann holt sie unter der Plane die Flinte heraus und legt sie auf ihren Schoß.
23
Das Sonnenlicht beleuchtet einen Teil von Bentons Gesicht, als er aus dem Fenster starrt. Einen langen, angespannten Moment herrscht Schweigen. Die Luft scheint bedrohlich zu schwirren, und Marino reibt sich die Augen.
»Ich kapiere es nicht.« Seine Lippen zittern. »Du könntest frei sein, nach Hause gehen und wieder zu leben anfangen.« Seine Stimme bricht. »Ich dachte, du
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