Die Dämonen ruhen nicht
hergekommen.«
»Wirklich?« Die Neugier des Mannes ist geweckt. Er tritt auf den Flur hinaus. »Warum?«
»Was meinen Sie mit warum?« Inzwischen hat sich Marino so weit wieder erholt, dass er ihn anblaffen kann. Schließlich geht das den Mann überhaupt nichts an. »Weil der gottverdammte Goldrausch vorbei ist. Weil ich es satt habe, am Hafen rumzusitzen. Weil es mich langweilt, ein bescheuerter Filmstar zu sein.«
»Wenn Sie mal in einem Film mitgespielt haben, habe ich den nie gesehen, und ich leihe mir die ganze Zeit Videos aus. Was soll man hier denn sonst groß machen?«
»Haben Sie Tom gesehen?«, beharrt Marino. Vergeblich versucht er, die Tür mit Gewalt zu öffnen, indem er den Türknauf dreht und daran rüttelt.
»Ich habe geschlafen, als Sie mit dem Radau angefangen haben«, beschwert sich der Mann, der aussieht wie mindestens sechzig und nicht alle Tassen im Schrank zu haben scheint. »Ich habe Tom nicht gesehen. Außerdem habe ich für Typen wie ihn sowieso nicht viel übrig, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er mustert Marino.
»Was bedeutet Typen wie ihn?«
»Homos.«
»Das wäre mir neu. Auch wenn es mir scheißegal ist, was die Leute so treiben, solange ich nicht dabei zuschauen muss. Bringt er etwa Männer mit in die Wohnung? Denn ich bin nicht sicher, ob ich da reingehen will, falls ...«
»Aber nein. Ich habe nie mitgekriegt, dass er Besuch gehabt hätte. Doch ein anderer Homo hier im Haus, der Leder und Ohrringe trägt, hat mir erzählt, er hätte Tom in einer dieser Bars gesehen, wo Homos hingehen, um sich anzubaggern und auf dem Klo ein kurzes Nümmerchen zu schieben.«
»Hören Sie zu, Sie Schwachkopf. Eigentlich war geplant, dass dieser Mistkerl mir die Wohnung untervermietet«, teilt Marino dem Mann erbost mit. »Die ersten drei Monatsmieten habe ich ihm bereits bezahlt, und jetzt bin ich von Kalifornien hierher gefahren, um den Schlüssel abzuholen und einzuziehen. Mein ganzer Kram ist unten im Scheißtransporter.«
»Da würde ich auch sauer werden.«
»Kein Scherz, Sherlock.«
»Ich meine, so richtig sauer. Wer ist eigentlich Sherlock? Ach ja, der Detektiv mit Hut und Pfeife. Ich lese keine gewalttätigen Bücher.«
»Falls Sie also Krach aus dieser Wohnung hören, achten Sie nicht darauf. Ich gehe jetzt da rein, und wenn ich dafür Dynamit nehmen muss.«
»Das meinen Sie doch nicht ernst.«
»Aber klar«, höhnt Marino. »Ich laufe immer mit Dynamitstangen in der Hosentasche rum. Ich bin nämlich ein Selbstmordattentäter mit New-Jersey-Akzent und weiß auch, wie man ein Flugzeug steuert. Ich kann nur nicht starten und landen.«
Der Mann flüchtet in seine Wohnung. Eine Sicherheitskette rasselt.
49
Marino mustert die hohle Metalltür von Wohnung 46. Gut dreißig Zentimeter oberhalb des Türknaufs befindet sich ein Riegel. Nachdem Marino sich eine Zigarette angezündet hat, begutachtet er den Feind durch eine Qualmwolke: Es ist ein billiger Messingknauf mit einem Knopf zum Herunterdrücken und ein - weitaus problematischeres - Zylinderschloss. Keine der anderen Türen auf diesem Flur hat so ein Schloss, was Marinos Vermutung bestätigt, dass Benton es selbst angebracht hat. Und wie man ihn kennt, hat er sicher ein einbruchssicheres Exemplar genommen, eines, das weder ein Dieb noch ein Killer oder ein entnervter Marino aufbohren kann, denn in diesem Fall würde sich ein von einer Feder angetriebenes Plättchen vor die Öffnung schieben wie die Luke eines Bankschalters, sodass kein Bohrer eine Chance hätte. Allerdings war Benton gegen das Sicherheitsrisiko Türrahmen machtlos, denn bei diesem handelt es sich nur um einen schmalen, am Holz festgeschraubten Metallstreifen.
Ein Kinderspiel, sagt sich Marino, während er sein Allzweckmesser vom Gürtel nimmt und es aus der abgewetzten Lederhülle zieht.
Die handelsüblichen Scharniere der Tür sind nur lose zusammengesteckt. Marino klappt eine Zange aus seinem Allzweckmesser, setzt sie an dem Stift an und zieht ihn heraus wie einen Flaschenkorken. Bald liegen drei Stifte am Boden, die Tür hat auf der linken Seite keinen Halt mehr. Mit zwei kräftigen Rucken bricht Marino die Schlösser aus dem Metallrahmen. Drinnen in der Wohnung angekommen, lehnt er die Tür wieder gegen den Rahmen, um ungestört zu bleiben, und macht Licht.
Offenbar ist Benton ausgezogen, ohne etwas zurückzulassen bis auf die Lebensmittel in den Schränken, einen Kühlschrank voller Budweiser und einen halb vollen Müllsack in der Küche. Wenn
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