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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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beobachtet. »So zwei Jahre, würde ich sagen. Was war denn im Lobster House Ihr Lieblingsgericht?«
    »Zwei verdammte Jahre. Sehr interessant. Mir hat er erzählt, er wäre eben erst eingezogen und dann gleich wieder versetzt worden, sodass er die Wohnung aufgeben müsste.«
    »Tja, wahrscheinlich Hummer«, fährt Dave fort. »Alle Touristen bestellen Hummer und ertränken ihn dann in so viel Butter, dass es ein Wunder ist, dass sie außer der Butter noch was schmecken. Das habe ich immer zu meinen Kollegen in der Küche gesagt. Was bringt es, jemandem einen guten, frischen Hummer zu servieren, wenn alles nur nach Butter schmeckt?«
    »Ich verabscheue Fisch«, erwidert Marino.
    »Na ja, wir haben auch ganz tolle Steaks. Abgehangenes, hundertprozentiges, bestes Angus.«
    »Abgehangen gefällt mir gar nicht. Im Lebensmittelhandel heißt abgehangen so viel wie verdorben. Sie wissen schon, die bescheuerten Nahrungsmittelvorschriften.«
    »Aber er war ja nicht immer hier«, erzählt Dave weiter. »Nur ab und zu; manchmal blieb er wochenlang weg. Doch dass er eben erst eingezogen sein soll, stimmt auf keinen Fall. Wie ich schon sagte, sehe ich ihn seit zwei Jahren kommen und gehen.«
    »Können Sie mir sonst noch was über diesen Homo sagen, der mich ausgesperrt hat und mit der halben Wohnungseinrichtung abgehauen ist?«, fragt Marino. »Wenn ich den in die Finger kriege, kann er was erleben.«
    Dave schüttelt den Kopf und schaut enttäuscht drein. »Ich würde Ihnen ja gern helfen, aber wie ich schon sagte, kenne ich den Mann nicht, und ich bin froh, dass er weg ist. Ganz bestimmt werden wir zwei sehr gute Nachbarn werden, Dave.«
    »Ein Herz und eine Seele. Und jetzt gehen Sie besser zu Bett. Ich muss hier noch ein paar Dinge erledigen. Wir sprechen uns später.«
    »War wirklich nett, Sie kennen zu lernen. Wenn Sie nichts dagegen haben, nenne ich Sie von jetzt an einfach Dave.«
    »Gute Nacht.«

50
    Obwohl Benton zwei Jahre lang hier gewohnt hat, kannte ihn niemand, nicht einmal sein einsamer, neugieriger Nachbar Dave.
    Allerdings überrascht das Marino nicht wirklich, auch wenn diese Erkenntnis ihn daran erinnert, was für ein trauriges und unfreies Dasein Benton fristet. Und deshalb ergibt die Weigerung, in sein altes Leben und zu seinen Freunden und den Menschen, die ihn lieben, zurückzukehren, noch weniger Sinn. Marino sitzt auf Bentons makellos gemachtem Bett und starrt mit leerem Blick auf den Spiegel über der Kommode. Da Benton ihn gut kennt, hat er sich wahrscheinlich gedacht, dass er zurückkommen und ihn noch einmal anbrüllen würde. Denn seine Aussage, dass er Marino nicht wieder sehen wolle - nie mehr war schließlich die schlimmste Kränkung, die es gibt.
    Marino mustert seine beleibte, ungesund wirkende Gestalt im Spiegel; der Schweiß läuft ihm übers Gesicht, und ihm fällt ein, dass Benton während des Streits die Klimaanlage im Wohnzimmer abgeschaltet hat. Doch als Marino gerade eben eingebrochen ist, lief das Gerät dort wieder; dafür war es im Schlafzimmer aus. Benton tut niemals etwas Unüberlegtes. So ist er nun einmal, und darum hat es sicher einen Grund, dass er die Klimaanlage im Wohnzimmer auf die höchste Stufe und im Schlafzimmer auf null gestellt hat. Marino steht vom Bett auf, geht zur Klimaanlage am Fenster und bemerkt den Umschlag, der mit Klebeband daran befestigt ist.
    Genau in der Mitte stehen in Blockbuchstaben die Initialen PM.
    Aufregung ergreift ihn, wird allerdings von Argwohn gedämpft. Er geht in die Küche, um ein scharfes Messer zu holen. Zurück im Schlafzimmer, legt er es auf das Klimagerät. Dann zerrt er im Bad einige Meter Klopapier von der Rolle und wickelt sie sich um die Finger.
    Anschließend kehrt er zum Fenster zurück, nimmt vorsichtig den Umschlag ab und stellt fest, dass beide Enden des Klebebands umgeschlagen sind, sodass sie aneinander haften; mit derselben Methode verhindern Polizisten, dass Fingerabdruck-Band an ihren Handschuhen kleben bleibt.
    Er schlitzt den Umschlag oben auf, nimmt ein gefaltetes weißes Blatt Papier heraus und klappt es auf. »Bitte anlassen«, steht da in derselben Blockschrift wie auf dem Umschlag.
    Verdattert überlegt Marino kurz, ob die Botschaft vielleicht gar nicht für ihn bestimmt ist und nicht von Benton stammt. Als Nächstes fällt ihm auf, dass weder das Klebeband noch das Papier alt und dass beide außerdem sehr sauber sind. Die umgeschlagenen Enden des Klebebands sind ein Hinweis darauf, dass der Benutzer

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