Die Dämonen ruhen nicht
Schmeißfliegen werden auch von Scheiße angezogen.
Außerdem ist sein Blutalkoholpegel so hoch, dass kein Mensch Grund hat, an seinem Selbstmord zu zweifeln. Das Hotel wird seine verwesende Leiche nebst Maden so schnell wie möglich loswerden wollen. Und der Gerichtsmediziner wird glauben, dass Rocco schon länger tot ist, als der Zimmerservice behauptet - vorausgesetzt, dass die genaue Uhrzeit, um die er sein Abendessen bestellt hat, überhaupt festgehalten wurde, was vermutlich nicht der Fall ist. Die Bestellungen werden nicht in einen Computer eingegeben. Das ist eine Tatsache.«
»Eine Tatsache?«, gibt Rudy zurück. »Woher, zum Teufel, willst du das wissen?«
»Hältst du mich für total verblödet? Natürlich, weil ich angerufen habe. Schon vor ein paar Tagen. Ich habe mich als Mitarbeiterin von Hewlett-Packard ausgegeben, die die Hotelcomputer überprüfen wollte. Der, den die Küche für den Zimmerservice benutze, brauche eine neue Software. Die hatten keine Ahnung, wovon ich redete, und meinten, sie hätten gar keinen Computer für den Zimmerservice. Nur einen für den Warenbestand. Daraufhin habe ich ihnen die Vorzüge eines hp pavilion 753n mit Intel-Pentium-Prozessor, achtzig Gigabyte, CD-Rom-Laufwerk und so weiter für den Zimmerservice erläutert ... Der springende Punkt ist, dass es keine Computeraufzeichnung darüber gibt, wann Rocco sein Abendessen bestellt hat. Zufrieden?«
»Haben die in diesem Hotel denn Computer von Hewlett- Packard?«, fragt Rudy nach einer kurzen Pause.
»Das war nicht schwer rauszufinden. Ich habe die Verwaltung angerufen. Ja«, erwidert sie.
»Okay. Gut gemacht. Also haben wir den Schauplatz von Roccos Selbstmord so hergerichtet, dass alle glauben werden, er sei schon tot gewesen, als du dich mit dem Betrunkenen amüsiert hast - nur für den Fall, dass der Typ oder sonst jemand sich dein Gesicht gemerkt hat.«
»Richtig, Rudy. Es ist alles in Ordnung. Alles bestens. Rocco ist bereits von Fliegen befallen. Die Wärme, die von den vielen Maden erzeugt wird, wird den Verwesungsprozess noch beschleunigen. Außerdem sieht es sowieso nach einem Selbstmord aus, und zwar wie einer, der früher - viel früher - begangen wurde, als alle annehmen.«
Lucy lässt den Wagen an und legt Rudy die Hand auf den Arm. »Können wir jetzt endlich abhauen?«
»Wir dürfen uns keine Fehler mehr erlauben, Lucy«, antwortet er schicksalsergeben. »Das geht einfach nicht.«
Ärgerlich fährt sie los.
»Fakt ist, dass mindestens zwei Leute in diesem Hotel dich für eine betrunkene Kongressteilnehmerin oder sogar für eine Prostituierte halten und dass du nicht so leicht zu vergessen bist, ganz gleich, wie sie dich eingeschätzt haben mögen. Wahrscheinlich ist das scheißegal, aber ...« Er beendet den Satz nicht.
»... aber es hätte auch schief gehen können.« Lucy fährt vorsichtig, schaut immer wieder in die Rückspiegel und beobachtet die in dunkle Schatten gehüllten Gehwege.
»Richtig, das hätte es.«
Sie spürt seinen Blick auf sich und bemerkt, dass seine Stimmung sich ändert. Er wird versöhnlicher, und offenbar tut es ihm Leid, dass er so barsch gewesen ist.
»Hey, Rudy.« Sie berührt liebevoll seine Wange, die wegen der Bartstoppeln so rau ist, dass sie Lucy an die Zunge einer Katze erinnert. »Wir sind unterwegs, und es hat geklappt.« Sie greift nach seiner Hand und umfasst sie fest.
»Es hat ein Problem gegeben, ein echtes Problem. Doch jetzt läuft alles bestens. Uns kann nichts mehr passieren.«
Obwohl sie beide niemals zugeben würden, dass sie Angst haben, wissen sie es, weil sie einander dann brauchen. In solchen Situationen sehnt sich jeder von ihnen verzweifelt nach dem warmen Körper des anderen. Lucy hebt seine Hand an ihren Mund und schmiegt sich an seinen Arm.
»Nicht«, sagt er. »Wir sind beide müde und erschöpft. Kein guter Zeitpunkt, um ... um nicht beide Hände am Lenkrad zu haben. Nicht, Lucy«, murmelt er, als sie zärtlich seine Finger, seine Knöchel und die Handfläche küsst.
Während sie die eine Hand liebkost, schiebt sie seine andere in ihre schwarze Leinenbluse.
»Lucy, hör auf... mein Gott... das ist unfair.« Er öffnet seinen Sicherheitsgurt. »Ich will nicht so für dich empfinden, verdammt.«
Lucy fährt weiter.
»Aber du empfindest so für mich. Wenigstens manchmal. Richtig?«
Lucy streichelt sein Haar, steckt die Hand unter seinen Kragen und lässt sie seine oberen Rückenmuskeln entlanggleiten. Ohne ihn anzusehen, tritt
Weitere Kostenlose Bücher