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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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während sie versucht, das Gleichgewicht zu bewahren.
    »Ich kann nicht mehr stehen«, sagt sie, ohne Bev anzusehen. Sie tut, als wäre Bev nicht vorhanden. »Meine Füße sind gefühllos.«
    »Sie hat dich zu fest gefesselt, richtig?«, meint Jay, und sein Blick wird noch lodernder. »Was hast du mit ihr gemacht?«, wendet er sich an Bev.
    Sie starrt ihn an.
    »Runter vom Bett«, befiehlt er ihr. »Wir müssen sie hinlegen. Sie ist verletzt. Hol ein feuchtes Handtuch.« Zum Lamm sagt er, während er ihr aufs Bett hilft: »Ich habe kein Eis da, tut mir Leid. Eis wäre gut für deinen Kopf.«
    »Es ist Eis im Fischtank. Und Lebensmittel«, erwidert Bev tonlos.
    »Du hast mir keine Welpen mitgebracht«, sagt Jay.
    »Ich hatte zu tun, und alles war geschlossen.«
    »Auf der Straße gibt es genug Streuner, wenn man nicht zu faul zum Suchen ist.«
    Bev macht den Kühlschrank auf und gießt kaltes Wasser auf ein Geschirrtuch.»Schon gut«, antwortet das Lamm schüchtern und entspannt sich ein wenig.
    Jay sieht gut aus und ist nett. Er ist ein Freund. Ganz anders als dieses widerwärtige, hässliche Weib.
    »Es geht schon. Ich brauche kein Eis.«
    »Nein, es geht nicht.« Als Jay ihr vorsichtig das Kissen unter den Kopf schiebt, schreit sie vor Schmerz auf. »Nein, es geht nicht.«
    Er steckt die Hand unter ihren Hals und hebt ihren Kopf an, um die Hinterseite abzutasten. Der Druck seiner Finger ist zu fest, und die Frau schreit wieder auf.
    »Was hast du mit ihr gemacht?«, fragt er Bev wieder.
    »Sie ist im Boot hingefallen.«
    Die Frau schweigt und würdigt Bev keines Blickes.
    »Offenbar hatte sie beim Fallen ein bisschen Hilfe«, entgegnet Jay, die Ruhe selbst.
    Er rafft die Bluse des Lamms zusammen und knöpft sie zu, ohne die Frau zu berühren.

58
    Benton zieht die Jacke aus und wirft sie in eine Mülltonne. Einen Häuserblock weiter südlich lässt er die Baseballkappe in eine andere Mülltonne fallen und duckt sich unter ein Gerüst, um einen Rucksack aus Leinen zu öffnen. Darin befindet sich ein schwarzes Biker-Kopftuch, das er sich fest um den Kopf bindet. Dann schlüpft er in eine Jeansweste, auf deren Rücken die amerikanische Flagge aufgestickt ist. Als kurz eine Lücke im Fußgängerstrom entsteht, tauscht er die Sonnenbrille gegen eine mit gelblichen Gläsern und einem anderen Gestell aus. Anschließend rollt er den Rucksack zusammen und klemmt ihn unter den Arm. Nachdem er links in die 73. Straße eingebogen ist, geht er an der Third Avenue wieder nach links und kehrt zurück zur 75. Straße, wo er an der Ecke des Gebäudes stehen bleibt, in dem sich Lucys Büro befindet. Jim, der Portier, achtet nicht auf ihn und schlendert zurück in die Vorhalle, um sich etwas klimatisierte Luft zu gönnen.
    Die moderne Technologie ist gleichzeitig Bentons Verbündeter und sein Feind. Anrufe mit dem Mobiltelefon können nicht nur durch eine Rufnummererkennung zurückverfolgt werden. Die Signale prallen von Satelliten ab und kehren wie ein Bumerang zu dem Ort zurück, an dem der Anrufer sich zum Zeitpunkt des Telefonats befindet. Bis jetzt gibt es keine Möglichkeit, diese Technologie auszutricksen, und deshalb bleibt Benton nichts anderes übrig, als seinen Verstand zu benutzen. Die Rufnummererkennung wird zwar fälschlicherweise melden, dass der Anruf aus einem Gefängnis in Texas kommt, doch dann wird die Satellitenübertragung zeigen, dass sich der Anrufer in Wahrheit in Manhattan befindet, und zwar innerhalb eines Radius, der kleiner ist als ein Häuserblock.
    Diese Tatsache lässt sich zu Bentons Vorteil nutzen. Man kann ein Hindernis nämlich auch als Stufe betrachten, die einen Schritt weiter zum Ziel führt.
    Benton tätigt den Anruf vor Lucys Bürohaus, Ecke Lexington Avenue und 75. Straße. Jean-Baptiste sitzt im Todestrakt, was sich leicht nachprüfen lässt. Also kann er nach den Gesetzen der Logik kein R-Gespräch in Manhattan geführt haben. Wer also dann? Lucy wird über diesen Anruf, der aus der unmittelbaren Nähe ihres Bürogebäudes kommt, nachgrübeln. Und da Benton sie sehr gut kennt, ist er sicher, dass sie selbst von ihrem Büro aus telefonieren und dabei feststellen wird, dass der Satellit dieselben Koordinaten meldet.
    Daraus wird sie schließen, dass es sich um einen technischen Fehler handelt: Der Satellit hat angezeigt, wo der Anruf einging, nicht, von wo aus er getätigt wurde. Dennoch wird sie nicht begreifen, wie das passieren konnte, da so etwas schließlich noch nie vorgekommen ist.

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