Die Dämonen
letzte Wort, das einzige Wort der Erneuerung und Auferstehung, und ... und was schert mich jetzt in diesem Augenblicke Ihr Lachen! Was schert es mich, daß Sie mich gar nicht, gar nicht verstehen, auch nicht ein Wort, auch nicht einen Laut! ... Oh, wie verachte ich in diesem Augenblicke Ihr stolzes Lachen und Ihren stolzen Blick!«
Er sprang von seinem Platze auf; es war ihm sogar Schaum auf die Lippen getreten.
»Im Gegenteil, Schatow, im Gegenteil,« sagte Stawrogin sehr ernst und ruhig, ohne sich von seinem Platze zu erheben, »im Gegenteil, Sie haben durch Ihre flammenden Worte bei mir viele sehr starke Erinnerungen wachgerufen. In Ihren Worten erkenne ich meine eigene Gesinnung wieder, wie sie vor zwei Jahren war, und ich sage jetzt nicht mehr wie vorhin, daß Sie meine damaligen Gedanken übertreiben. Es scheint mir sogar, daß dieselben noch ablehnender, noch selbstbewußter waren, und ich versichere Ihnen zum drittenmal, daß ich gern alles, was Sie jetzt gesagt haben, bestätigen würde, sogar bis auf das letzte Wort, aber ...«
»Aber Sie brauchen einen Hasen?«
»Wa-as?«
»Das ist Ihr eigener unwürdiger Ausdruck,« erwiderte Schatow boshaft lachend und setzte sich wieder hin. »›Um ein Hasenragout zu machen, braucht man einen Hasen; um an Gott zu glauben, braucht man einen Gott‹; das sollen Sie wiederholentlich in Petersburg gesagt haben,
à la
Nosdrew 1 , der einen Hasen an den Hinterbeinen fangen wollte.«
»Nein, der rühmte sich sogar, schon einen gefangen zu haben. Apropos, erlauben Sie, daß ich nun auch Ihnen eine Frage vorlege, um so mehr, da ich, wie mir scheint, jetzt ein volles Recht dazu habe. Sagen Sie mir: ist Ihr Hase schon gefangen, oder läuft er noch?«
»Erdreisten Sie sich nicht, mich in dieser Form zu fragen! Fragen Sie in anderer Form, in anderer!« schrie Schatow, am ganzen Leibe zitternd.
»Wie Sie wünschen; also in anderer Form,« erwiderte Nikolai Wsewolodowitsch und betrachtete ihn mit hartem Blicke. »Ich wollte nur wissen: glauben Sie selbst an Gott oder nicht?«
»Ich glaube an Rußland; ich glaube an seine Rechtgläubigkeit ... Ich glaube an den Leib Christi ... Ich glaube, daß die neue Wiederkunft Christi in Rußland stattfinden wird ... Ich glaube ...« stammelte Schatow in Ekstase.
»Aber auch an Gott? An Gott?«
»Ich ... ich werde an Gott glauben.«
In Stawrogins Gesicht bewegte sich kein Muskel. Schatow sah ihn herausfordernd mit flammenden Blicken an, als ob er ihn damit verbrennen wollte.
»Ich habe Ihnen nicht gesagt, daß ich überhaupt nicht glaube!« schrie er endlich. »Ich bekenne nur, daß ich ein unglückliches, langweiliges Buch und vorläufig weiter nichts bin, vorläufig weiter nichts ... Aber mag mein Name untergehen! Von Ihnen hängt die Sache ab, nicht von mir ... Ich bin ein unbegabter Mensch und kann nur mein Blut hingeben, weiter nichts, wie jeder unbegabte Mensch. So mag denn mein Blut fließen! Von Ihnen rede ich; ich habe hier zwei Jahre lang auf Sie gewartet ... Ihretwegen tanze ich jetzt eine halbe Stunde lang nackt umher. Sie, Sie allein wären imstande, diese Fahne zu erheben! ...«
Er sprach nicht zu Ende; wie in Verzweiflung stemmte er die Ellbogen auf den Tisch und stützte den Kopf mit beiden Händen.
»Ich möchte anläßlich Ihres letzten Ausdrucks nur eines als Kuriosität bemerken,« unterbrach Stawrogin das Schweigen. »Warum wollen mir nur alle eine Fahne aufdrängen? Peter Werchowenski ist ebenfalls überzeugt, daß ich ›bei ihnen die Fahne erheben‹ könne, wenigstens hat man mir dies als einen von ihm getanen Ausspruch mitgeteilt. Er hat sich die Vorstellung zurechtgemacht, ich könne bei ihnen die Rolle eines Stenka Rasin 2 spielen ›wegen ungewöhnlicher Befähigung zum Verbrechen‹; auch dies sind seine Worte.«
»Wie?« fragte Schatow. »Wegen ungewöhnlicher Befähigung zum Verbrechen?«
»Ganz richtig.«
»Hm! ... Ist denn das wahr,« fragte er mit boshaftem Lächeln, »ist denn das wahr, daß Sie in Petersburg einem viehischen, wollüstigen Geheimbunde angehört haben? Ist das wahr, daß Sie geäußert haben, der Marquis de Sade hätte von Ihnen noch viel lernen können? Ist das wahr, daß Sie Kinder an sich gelockt und mißbraucht haben? Reden Sie! Wagen Sie nicht zu lügen!« schrie er ganz außer sich. »Nikolai Stawrogin kann Schatow gegenüber, der ihn ins Gesicht geschlagen hat, nicht lügen! Sagen Sie alles, und wenn es wahr ist, werde ich Sie sofort totschlagen, augenblicklich, hier auf
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