Die Dämonen
es erforderlich ist, auch in den notwendigen Grenzen halten und Sie dadurch vor sich selbst retten, weil Sie ohne uns nur Rußland erschüttern und seines hohen Ansehens berauben würden; unsere Aufgabe aber besteht gerade darin, für die Erhaltung dieses hohen Ansehens zu sorgen. Seien Sie überzeugt, daß wir und Sie einander wechselseitig nötig haben! In England haben die Whigs und die Torys einander ebenfalls nötig. Nun also: wir sind die Torys und Sie die Whigs.‹ Das ist meine Auffassung.«
Andrei Antonowitsch wurde sogar pathetisch. Er liebte es, noch von Petersburg her, verständig und liberal zu reden, und hier (was die Hauptsache war) behorchte ihn niemand. Peter Stepanowitsch schwieg und benahm sich ungewöhnlich ernsthaft. Das regte den Redner noch mehr an.
»Wissen Sie wohl,« fuhr er fort, indem er in seinem Arbeitszimmer auf und ab ging, »wissen Sie wohl, daß ich, ›der Herr des Gouvernements‹, wegen der Menge meiner Obliegenheiten keine einzige von ihnen wirklich zu erfüllen vermag, andrerseits aber ebenso wahrheitsgemäß sagen kann, daß ich hier nichts zu tun habe? Das ganze Geheimnis liegt darin, daß hier alles von den Anschauungen der Regierung abhängt. Wenn die Regierung zum Beispiel aus Politik oder zur Besänftigung der Leidenschaften die Republik ausrufen und andrerseits dementsprechend die Amtsgewalt der Gouverneure vergrößern sollte, so werden wir Gouverneure uns auch mit der Republik abfinden; und was sage ich Republik: mit jeder beliebigen Staatsform werden wir uns abfinden; ich wenigstens fühle, daß ich dazu imstande bin ... Kurz, wenn mir die Regierung telegraphisch eine
activité dévorante
anbefiehlt, so werde ich eine
activité dévorante
leisten. Ich habe hier den Leuten gerade ins Gesicht gesagt: ›Meine Herren, zur Herstellung des Gleichgewichts und zum Gedeihen aller Institutionen des Gouvernements ist eines unumgänglich notwendig: die Vergrößerung der Amtsgewalt des Gouverneurs.‹ Sehen Sie, es ist notwendig, daß alle diese Institutionen, landschaftliche und gerichtliche, sozusagen ein Doppelleben führen, das heißt, es ist notwendig, daß sie existieren (ich gebe zu, daß das erforderlich ist), nun, und andrerseits ist es notwendig, daß sie nicht existieren. Immer nach der Anschauung der Regierung geurteilt. Kommt ein Erlaß, daß diese Institutionen notwendig seien, so sind sie sofort bei mir faktisch vorhanden; geht die Notwendigkeit vorüber, so wird niemand diese Institutionen bei mir finden. So verstehe ich die
activité dévorante,
und eine solche ist ohne Vergrößerung der Amtsgewalt des Gouverneurs nicht möglich. Ich spreche mit Ihnen ganz vertraulich. Wissen Sie, ich habe bereits in Petersburg auf die Notwendigkeit einer besonderen Schildwache vor dem Hause des Gouverneurs hingewiesen. Ich warte auf die Antwort.«
»Sie brauchen zwei Schildwachen,« sagte Peter Stepanowitsch.
»Warum zwei?« fragte v. Lembke, indem er vor ihm stehen blieb.
»Ich bitte Sie, eine ist zu wenig, damit man Sie hochschätzt. Sie brauchen unbedingt zwei.«
Andrei Antonowitsch verzog das Gesicht.
»Sie ... Sie erlauben sich denn aber doch etwas zuviel, Peter Stepanowitsch. Sie mißbrauchen meine Gutherzigkeit um Stichelreden zu führen und sozusagen den
bourru bienfaisant
zu spielen ...«
»Na, meinetwegen,« murmelte Peter Stepanowitsch; »Sie bahnen uns damit doch nur den Weg und ermöglichen uns den Erfolg.«
»Wen meinen Sie mit ›uns‹, und von was für einem Erfolge reden Sie?« fragte v. Lembke, ihn erstaunt anstarrend; aber er erhielt keine Antwort.
Als Julija Michailowna einen Bericht über dieses Gespräch anhörte, war sie sehr unzufrieden.
»Aber«, verteidigte sich v. Lembke, »ich konnte doch deinen Günstling nicht wie einen Untergebenen behandeln, und noch dazu unter vier Augen ... Da konnte es leicht kommen, daß ich ein Wort zuviel sagte ... aus Gutherzigkeit.«
»Aus übergroßer Gutherzigkeit. Ich habe gar nicht gewußt, daß du eine Sammlung von Proklamationen hast; tu mir den Gefallen und zeige sie mir!«
»Aber ... aber er hat mich gebeten, sie ihm auf einen Tag nach Hause zu geben.«
»Und das hast du wirklich wieder getan!« rief Julija Michailowna ärgerlich. »Was für eine Taktlosigkeit!«
»Ich werde sofort zu ihm hinschicken und sie zurückholen lassen.«
»Er wird sie nicht zurückgeben.«
»Ich werde es verlangen!« brauste v. Lembke auf und sprang sogar von seinem Platze in die Höhe. »Wer ist er, daß man sich so
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