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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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sie erschien dabei in einem grünseidenen Schleppkleide und frisierte sich ihren Chignon in Locken und Löckchen, während sie zu jeder anderen Zeit mit Genuß der ärgsten Schlumpigkeit frönte. Und obgleich sie während der Vollziehung des Sakramentes der Taufe immer »eine ganz unverschämte Miene« aufsetzte, so daß der Geistliche und die Kirchenbeamten darüber verlegen wurden, so trug sie doch nach Vollendung der heiligen Handlung stets selbst den Champagner herum (eben deswegen war sie erschienen und hatte sie sich geputzt), und da hätte einmal jemand versuchen sollen, ein Glas zu nehmen, ohne ihr ein Trinkgeld hinzulegen!
    Die Gäste, die sich diesmal bei Wirginski versammelt hatten (es waren fast nur Männer), hatten ein besonderes, feierliches Aussehen. Es gab keinen Imbiß; auch wurde nicht Karte gespielt. In der Mitte des großen Salons, der mit alten blauen Tapeten schön tapeziert war, waren zwei Tische zusammengerückt und mit einem großen Tischtuch bedeckt, das allerdings nicht ganz sauber war, und auf ihnen siedeten zwei Samoware. Ein gewaltiges Präsentierbrett mit fünfundzwanzig Gläsern und ein Korb mit gewöhnlichem Weißbrot, das in eine Menge Scheiben geschnitten war, wie das in vornehmen Knaben- und Mädchenpensionaten für die Zöglinge zu geschehen pflegt, nahmen das eine Ende des Tisches ein. Den Tee goß ein dreißigjähriges Fräulein ein, eine Schwester der Hausfrau, ohne Augenbrauen, mit hellblonden Wimpern, ein schweigsames, boshaftes Wesen, das die neuen Ansichten teilte, und vor welchem Wirginski selbst in seinem häuslichen Leben furchtbare Angst hatte. Es waren im ganzen drei Damen im Zimmer: die Hausfrau selbst, ihre der Augenbrauen entbehrende Schwester und eine Schwester Wirginskis, ein Fräulein Wirginskaja, die soeben erst aus Petersburg angekommen war. Arina Prochorowna, eine stattliche Dame von etwa siebenundzwanzig Jahren, eine hübsche Erscheinung, etwas strubblig, in einem wollenen Alltagskleide von grünlicher Farbe, saß am Tische, ließ ihre dreisten Augen über die Gäste schweifen und sagte gleichsam mit ihrem Blicke: »Seht ihr wohl, ich fürchte mich vor nichts!« Das soeben erst eingetroffene Fräulein Wirginskaja, ebenfalls eine hübsche Person, eine Studentin und Nihilistin, dick und rund wie eine Kugel, klein von Wuchs, mit sehr roten Backen, hatte neben Arina Prochorowna Platz genommen; sie befand sich noch beinah im Reiseanzuge, hatte eine Papierrolle in der Hand und betrachtete die Gäste mit ungeduldig umherhüpfenden Augen. Wirginski selbst war an diesem Abend etwas unwohl, war indessen doch in den Salon gekommen und saß am Teetisch in einem Lehnstuhl. Alle Gäste saßen ebenfalls, und an dieser zeremoniösen Placierung auf Stühlen um den Tisch herum ließ sich im voraus ersehen, daß es sich um eine Sitzung handelte. Offenbar warteten alle auf etwas und führten während des Wartens zwar laute, aber nebensächliche Gespräche. Als Stawrogin und Werchowenski erschienen, wurde alles auf einmal still.
    Aber ich erlaube mir zum Zwecke der Charakterisierung der Anwesenden einige Mitteilungen zu machen.
    Ich glaube, daß alle diese Herren sich damals tatsächlich in der angenehmen Hoffnung versammelt hatten, etwas besonders Interessantes zu hören, und daß ihnen so etwas vorher angekündigt worden war. Sie repräsentierten die Blüte des rotesten Liberalismus in unserer alten Stadt und waren von Wirginski für diese »Sitzung« sehr sorgfältig ausgesucht worden. Ich bemerke noch, daß einige von ihnen (übrigens nur sehr wenige) ihn vorher noch gar nicht besucht hatten. Gewiß hatte die Mehrzahl der Gäste keine klare Vorstellung davon, zu welchem Zwecke sie zusammengerufen waren. Allerdings hielten damals alle Peter Stepanowitsch für einen aus dem Auslande gekommenen, mit weitgehenden Vollmachten versehenen Emissär; diese Vorstellung hatte sich bei ihnen sofort festgesetzt und schmeichelte naturgemäß ihrem eigenen Selbstbewußtsein. Indessen fanden sich unter diesem Häufchen von Einwohnern unserer Stadt, das sich unter dem Vorwande der Feier eines Namenstages eingefunden hatte, bereits einige, denen bestimmte Vorschläge gemacht worden waren. Peter Werchowenski hatte bei uns schon ein Fünferkomitee gebildet, ähnlich denjenigen, die er bereits in Moskau und, wie sich jetzt herausgestellt hat, in unserm Kreise unter den Offizieren eingerichtet hatte. Es heißt, auch im Gouvernement Ch*** habe er ein solches ins Leben gerufen. Diese fünf

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