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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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den Eindruck, daß man ihn einfach unbeachtet ließ und sich gar nicht um ihn kümmerte. Denn der dichte und sehr buntscheckige Menschenhaufe, der ihn umgab, und in welchem mit allerlei Volk zusammen sich auch Herren befanden und sogar der Dompfarrer, hörte zwar neugierig und verwundert an, was er sagte; aber niemand von ihnen redete mit ihm, und niemand versuchte, ihn fortzuführen. Blaß und mit funkelnden Augen sprach Lembke das wunderlichste Zeug; obendrein war er barhäuptig, da er seinen Hut schon lange verloren hatte.
    »Immer Brandstiftung! Das ist der Nihilismus! Wenn etwas brennt, so ist es der Nihilismus!« hörte ich ihn sagen und erschrak darüber; denn wenn ich mich bei ihm auch über nichts mehr wundern konnte, so hat die nackte Wirklichkeit doch immer etwas Erschütterndes.
    »Exzellenz,« sagte ein Reviervorsteher, der zu ihm trat, »wenn Sie doch belieben wollten, sich zu Hause Ruhe zu vergönnen ... Hier zu stehen ist für Euer Exzellenz sogar gefährlich.«
    Dieser Reviervorsteher war, wie ich nachher erfuhr, von dem Polizeimeister ausdrücklich zu Andrei Antonowitsch abkommandiert worden, um ihn zu beobachten und mit allen Mitteln zu versuchen, ihn nach Hause zu schaffen, und im Falle von Gefahr sogar unter Anwendung von Gewalt, ein Auftrag, der augenscheinlich über die Kräfte des Beauftragten hinausging.
    »Die Tränen der Abgebrannten werden getrocknet werden, aber die Stadt wird abbrennen. Das sind immer die vier Schurken, vier bis fünf. Man arretiere den Schurken! Er drängt sich in die Ehre der Familien ein. Zum Anzünden der Häuser haben sie sich der Gouvernanten bedient. Das ist gemein, gemein! Oho, was macht der da?« rief er, da er auf dem Dache des brennenden Nebengebäudes einen Feuerwehrmann bemerkte, unter dem das Dach schon brannte, und um den herum das Feuer aufloderte. »Zieht ihn weg, zieht ihn weg; er wird herunterfallen; er wird verbrennen; löscht ihn! ... Was tut er da?«
    »Er löscht, Exzellenz.«
    »Das ist unwahrscheinlich. Die Feuersbrunst ist in den Köpfen der Menschen, nicht auf den Dächern der Häuser. Zieht ihn herunter und laßt alles stehen und liegen! Das ist das Beste, alles stehen und liegen zu lassen! Mag es selbst sehen, wie es zurechtkommt! Oho wer weint da? Eine alte Frau! Da schreit eine alte Frau; warum hat man die alte Frau vergessen?«
    In der Tat schrie in dem unteren Stockwerke des brennenden Nebengebäudes eine alte Frau, eine achtzigjährige Verwandte des Kaufmanns, dem das brennende Haus gehörte. Aber man hatte sie nicht vergessen, sondern sie war selbst, als es noch möglich war, in das brennende Haus zurückgekehrt, in der sinnlosen Absicht, aus ihrer noch unversehrten Kammer ihr Federbett herauszuholen. Nur mühsam in dem Rauche atmend und in der Gluthitze schreiend, da auch die Kammer nun zu brennen angefangen hatte, versuchte sie dennoch aus aller Kraft mit ihren schwachen Armen ihr Bett durch den Fensterrahmen, aus dem die Scheiben herausgeschlagen waren, hindurchzuschieben. Lembke stürzte zu ihr hin, um ihr zu helfen. Alle sahen, wie er zum Fenster hinlief, einen Zipfel des Bettes ergriff und es mit aller Kraft aus dem Fenster zu ziehen suchte. Unglücklicherweise fiel von dem Dache gerade in diesem Augenblicke ein losgebrochenes Brett herunter und traf den Ärmsten; das Brett erschlug ihn nicht, da es ihn im Falle nur mit einem Ende am Halse streifte; aber Andrei Antonowitschs Laufbahn war damit, wenigstens bei uns, beendet; der Schlag warf ihn zu Boden, und er fiel besinnungslos hin.
    Endlich dämmerte trübe und verdrossen der Morgen herauf. Die Feuersbrunst wurde schwächer; der Wind hatte sich auf einmal gelegt, und die Luft war still geworden, und darauf begann ein leiser, langsamer Regen wie durch ein Sieb herabzurieseln. Ich war schon in einer anderen Gegend dieses jenseitigen Stadtteiles, weit entfernt von der Stelle, wo Lembke hingefallen war, und hier hörte ich in der Volksmenge sehr seltsame Gespräche. Eine sonderbare Tatsache war zutage gekommen: ganz am Rande des Stadtviertels stand auf einem freien Platze, hinter Gemüsegärten, nicht weniger als fünfzig Schritte von anderen Gebäuden entfernt, ein soeben erst erbautes kleines Holzhaus, und dieses einsame Haus war fast zu allererst in Brand geraten, gleich zu Anfang der Feuersbrunst. Wenn es auch in Flammen aufgegangen wäre, so hätte es bei dem Abstande doch das Feuer keinem andern Bauwerke der Stadt mitteilen können; und umgekehrt, wenn auch der ganze jenseitige

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