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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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gelangweilt. Er öffnete immer die Tür und sagte: ›Ich komme nur auf eine Minute‹, und saß dann den ganzen Tag da. Ich will ihm nicht ähnlich sein und den ganzen Tag dasitzen.«
    Eine schmerzliche Empfindung malte sich auf seinem Gesichte.
    »Lisa, diese gezwungene Sprache tut mir weh. Dieses gekünstelte Benehmen ist dir selbst peinlich. Warum redest du so? Wozu?«
    Seine Augen brannten.
    »Lisa,« rief er, »ich schwöre dir, ich liebe dich jetzt noch mehr als gestern, wo du zu mir kamst!«
    »Was für ein seltsames Bekenntnis! Was soll hier gestern und heute und die Abmessung beider?«
    »Du wirst mich nicht verlassen,« fuhr er beinahe verzweifelt fort; »wir werden zusammen wegreisen, heute noch, nicht wahr? Nicht wahr?«
    »Au, drücken Sie mir nicht so heftig die Hand! Wohin sollen wir gleich heute zusammen reisen? Irgendwohin, um wieder ›aufzuerstehen‹? Nein, ich habe schon genug herumversucht ... und das geht auch für mich zu langsam; und ich bin auch dafür nicht geeignet; das ist zu hoch für mich. Wenn wir reisen sollten, dann müßte es nach Moskau sein, und da müßten wir Besuche machen und selbst Besuche annehmen, – das ist mein Ideal, wie Sie wissen; ich habe Ihnen schon in der Schweiz nicht verheimlicht, wie ich beschaffen bin. Da wir nun aber nicht imstande sind nach Moskau zu fahren und dort Besuche zu machen, weil Sie verheiratet sind, so ist es zwecklos, darüber zu reden.«
    »Lisa, was war denn das gestern?«
    »Es war eben, was es war.«
    »Das ist eine schreckliche Antwort! Eine grausame Antwort!«
    »Was tut das, daß es grausam ist? Wenn es grausam ist, so ertragen Sie es!«
    »Du rächst dich an mir für deine gestrige phantastische Laune ...« murmelte er, ingrimmig lächelnd.
    Lisa fuhr auf.
    »Welch ein unwürdiger Gedanke!«
    »Warum hast du mir denn ... ›so viel Glück‹ geschenkt? Habe ich ein Recht, danach zu fragen?«
    »Nein, behelfen Sie sich ohne Rechte mir gegenüber; fügen Sie zu der Unwürdigkeit Ihrer Mutmaßung nicht noch eine Dummheit hinzu. Es gelingt Ihnen heute nichts. Apropos, fürchten Sie etwa die Meinung der Welt, und daß man Sie wegen dieses ›so vielen Glückes‹ verdammen werde? Oh, wenn es so ist, da regen Sie sich, bitte, nicht auf! Sie tragen dabei keine Schuld und brauchen sich vor niemand zu verantworten. Als ich gestern Ihre Tür öffnete, wußten Sie nicht einmal, wer da hereinkam. Es war eben nur eine phantastische Laune von mir, wie Sie sich soeben ausdrückten, und nichts weiter. Sie können allen kühn und stolz in die Augen sehen!«
    »Die Art, wie du schon seit einer Stunde redest und lachst, macht, daß mir ein kalter Schauder über den Leib läuft. Dieses ›Glück‹, von dem du mit einem solchen Ingrimm sprichst, kostet mich ... geradezu alles. Kann ich dich denn jetzt verlieren? Ich schwöre dir, ich habe dich gestern weniger geliebt als in diesem Augenblicke. Weshalb nimmst du mir heute alles fort? Weißt du, was sie mich gekostet hat, diese neue Hoffnung? Der Preis ist ein Menschenleben.«
    »Das Ihrige oder ein fremdes?«
    Er erhob sich schnell.
    »Was bedeutet das?« fragte er, sie starr anblickend.
    »Haben Sie mit Ihrem oder mit meinem Leben dafür bezahlt? Das war der Sinn meiner Frage. Oder verstehen Sie mich jetzt gar nicht mehr?« sagte Lisa, die dunkelrot geworden war. »Warum sind Sie so plötzlich aufgesprungen? Warum sehen Sie mich mit einem solchen Gesichte an? Sie erschrecken mich. Wovor fürchten Sie sich denn immer? Ich habe schon lange bemerkt, daß Sie ängstlich sind, gerade jetzt, gerade in diesem Augenblicke ... O Gott, wie blaß Sie geworden sind!«
    »Wenn du etwas weißt, Lisa, so schwöre ich dir, daß ich nichts weiß ... und überhaupt davon nicht geredet habe, als ich sagte, daß der Preis ein Menschenleben sei ...«
    »Ich verstehe Sie gar nicht,« erwiderte sie, furchtsam stockend.
    Endlich erschien langsam ein melancholisches Lächeln auf seinen Lippen. Er setzte sich sachte wieder hin, setzte die Ellbogen auf die Knie und verbarg das Gesicht in den Händen.
    »Das war ein böser Traum mit Irrereden ... Wir haben von zwei verschiedenen Dingen gesprochen.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie gesprochen haben ... Haben Sie gestern wirklich nicht gewußt, daß ich heute wieder von Ihnen gehen würde? Haben Sie es gewußt oder nicht? Lügen Sie nicht: haben Sie es gewußt oder nicht?«
    »Ich wußte es ...« erwiderte er leise.
    »Nun also, was ist Ihnen denn dann? Sie wußten es und

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