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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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in dem plötzlich eine Hoffnung aufzuleuchten schien. Aber dieser Schimmer erlosch im selben Augenblicke wieder.
    »Wenn du wüßtest, welche Qual es für mich ist, jetzt gegen dich nicht offen sein zu können, Lisa; wenn ich dir nur enthüllen könnte ...«
    »Enthüllen? Sie wollen mir etwas enthüllen? Bewahre mich Gott vor Ihren Enthüllungen!« unterbrach sie ihn beinah ängstlich.
    Er blieb stehen und wartete in starker Unruhe.
    »Ich muß Ihnen gestehen,« fuhr sie fort, »schon damals in der Schweiz hat sich bei mir der Gedanke festgesetzt, daß Sie eine schreckliche, schmutzige, blutige Handlung auf dem Gewissen haben, eine Handlung, die Sie gleichzeitig in ein sehr komisches Licht stellen würde.. Hüten Sie sich, sie mir zu enthüllen, wenn dem so ist; ich würde Sie auslachen. Ich würde Ihr ganzes Leben lang über Sie lachen ... Ach, Sie werden wieder blaß? Ich werde nichts weiter sagen, ich werde nichts weiter sagen, ich gehe gleich fort!« rief sie und sprang mit einer mißmutigen, geringschätzigen Gebärde vom Stuhle auf.
    »Quäle mich, martere mich, laß deinen Grimm an mir aus!« schrie er verzweifelt. »Du hast ein volles Recht dazu! Ich wußte, daß ich dich nicht liebte, und habe dich zugrunde gerichtet. Ja, ich habe ›den Augenblick genutzt‹; ich hegte die Hoffnung ... schon lange ... eine letzte Hoffnung ... Ich konnte dem Lichte nicht widerstehen, von dem mein Herz erhellt wurde, als du gestern zu mir hereinkamst, von selbst, allein, zuerst. Ich glaubte auf einmal ... Vielleicht glaube ich es auch jetzt noch.«
    »Zum Danke für eine so edle Offenherzigkeit will ich Ihnen mit gleicher Münze zahlen: ich will nicht Ihre Barmherzige Schwester sein. Vielleicht werde ich wirklich Krankenpflegerin, wenn ich nicht heute rechtzeitig zu sterben verstehe; aber auch wenn ich es werden sollte, werde ich es nicht bei Ihnen werden, obwohl Sie allerdings nicht besser daran sind als ein Beinloser oder Armloser. Ich habe immer die Vorstellung gehabt, Sie würden mich nach einem Orte führen, wo eine riesige, böse Spinne von Menschengröße säße, und wir würden sie da unser ganzes Leben lang ansehen und uns vor ihr fürchten; und darüber würde unsere wechselseitige Liebe vergehen. Wenden Sie sich doch an Dascha; die wird mit Ihnen gehen, wohin Sie wollen.«
    »Mußten Sie die sogar jetzt erwähnen?«
    »Das arme Hündchen! Grüßen Sie sie von mir! Weiß sie, daß Sie schon in der Schweiz sie zur Pflegerin Ihres höheren Alters ausersehen haben? Welche Vorsorglichkeit! Welche Voraussicht! Halt, wer ist da?«
    Im Hintergrunde des Saales wurde eine Tür ein wenig geöffnet; ein Kopf schob sich hindurch und verschwand schnell wieder.
    »Bist du es, Alexei Jegorowitsch?« fragte Stawrogin.
    »Nein, ich bin es nur,« antwortete Peter Stepanowitsch und schob sich wieder mit dem halben Leibe herein. »Guten Morgen, Lisaweta Nikolajewna! Wußte ich es doch, daß ich Sie beide in diesem Saale treffen würde! Ich bin nur auf einen Augenblick hergekommen, Nikolai Wsewolodowitsch; so schnell ich nur irgend konnte, bin ich hergeeilt, um ein paar Worte mit Ihnen zu reden... etwas dringend Notwendiges ... nur ein paar Worte!«
    Stawrogin ging auf ihn zu; aber nach drei Schritten wandte er sich zu Lisa wieder um.
    »Wenn du jetzt gleich etwas erfahren wirst, Lisa, so wisse: ich bin daran schuld!«
    Sie fuhr zusammen und sah ihn erschrocken an; aber er ging eilig hinaus.
     
II.
     
    Das Zimmer, aus welchem Peter Stepanowitsch in den Saal hineingesehen hatte, war ein großes, ovales Vorzimmer. Dort hatte bis dahin Alexei Jegorowitsch gesessen; aber er hatte ihn fortgeschickt. Nikolai Wsewolodowitsch machte die Tür nach dem Saale hinter sich zu und blieb erwartungsvoll stehen. Peter Stepanowitsch sah ihn mit einem schnellen, prüfenden Blicke an.
    »Nun?«
    »Das heißt, wenn Sie es schon wissen,« begann Peter Stepanowitsch eilig, und als wollte er mit seinen Augen dem andern in die Seele dringen, »so trägt selbstverständlich niemand von uns irgendwelche Schuld an etwas und am allerwenigsten Sie, weil das ein solches Zusammentreffen ... ein so merkwürdiges Zusammentreffen von Zufällen ist ... mit einem Worte, gerichtlich kann es Sie nicht berühren, und ich bin hergeeilt, um Sie zu benachrichtigen.«
    »Sind sie verbrannt? Ermordet?«
    »Ermordet, aber nicht verbrannt; das ist unangenehm; aber ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich nicht daran schuld bin, wie sehr Sie mich auch im Verdacht haben mögen; denn

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