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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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nutzten den Augenblick. Was ist da noch viel zu reden?«
    »Sage mir die ganze Wahrheit,« rief er mit tiefem Schmerze: »als du gestern meine Tür öffnetest, wußtest du da selbst, daß du sie nur für eine Stunde öffnetest?«
    Sie blickte ihn voller Haß an.
    »Die vernünftigsten Leute können wirklich die wunderlichsten Fragen stellen. Und warum beunruhigen Sie sich denn so? Aus verletzter Eitelkeit, weil eine Frau sich von Ihnen zuerst lossagt, und nicht Sie sich von ihr? Wissen Sie, Nikolai Wsewolodowitsch, ich bin, während ich hier bei Ihnen war, unter anderm zu der Überzeugung gelangt, daß Sie gegen mich überaus großmütig sind, und das kann ich von Ihnen nicht ertragen.«
    Er stand von seinem Platze auf und machte einige Schritte im Zimmer.
    »Nun gut, es mag sein, daß es so enden muß ... Aber wie hat das Ganze geschehen können?«
    »Darum machen Sie sich Sorge? Und besonders, da Sie es doch selbst ganz genau wissen und es besser als irgend jemand in der Welt begreifen und selbst darauf gerechnet haben! Ich bin ein vornehmes Fräulein; mein Herz hat in der Oper seine Nahrung erhalten; daher ist alles gekommen, das ist die Lösung des Rätsels.«
    »Nein.«
    »Es liegt darin nichts, was für Ihre Eitelkeit verletzend sein könnte, und es ist alles die volle Wahrheit. Es begann mit einem schönen Augenblicke, den ich nicht ertragen konnte. Vorgestern, als ich Sie in aller Öffentlichkeit ›beleidigte‹ und Sie mir so ritterlich antworteten, da sagte ich mir, sobald ich nach Hause gefahren war, sogleich, daß Sie vor mir geflohen waren, weil Sie verheiratet sind, und nicht aus Geringschätzung gegen mich, was ich als ein junges Mädchen der vornehmen Gesellschaft am meisten gefürchtet hatte. Ich verstand, daß Sie durch Ihre Flucht mich, mich Unsinnige, hatten schützen wollen. Sie sehen, wie ich Ihre Großmut schätze. Da kam Peter Stepanowitsch zu mir herangelaufen und erklärte mir sogleich alles. Er entdeckte mir, daß Sie von einem großen Gedanken erfüllt seien, im Vergleich mit dem wir beide, er und ich, ein reines Nichts wären, daß ich aber dabei doch auf Ihrem Wege stände. Er rechnete auch sich selbst immer mit dazu; er wollte durchaus, daß wir drei uns zusammenschlössen, und redete phantastisches Zeug von einem Nachen und von Rudern aus Ahornholz; das komme in einem russischen Volksliede vor. Ich lobte ihn und sagte ihm, er sei ein Dichter, und er nahm das für bare Münze. Und da ich auch ohne dies längst wußte, daß es mit mir schnell ein Ende haben würde, so entschloß ich mich kurz. Also das ist alles, und nun genug davon und, bitte, weiter keine Erklärungen mehr! Sonst zanken wir uns womöglich noch. Fürchten Sie sich vor niemand; ich werde alles auf mich nehmen. Ich bin eine Närrin, ich bin launisch, ich habe mich durch einen opernhaften Nachen verführen lassen, ich bin ein vornehmes Fräulein ... ... Aber wissen Sie, ich habe doch gedacht, daß Sie mich Wunder wie sehr liebten. Verachten Sie mich Närrin nicht, und lachen Sie nicht über dieses Tränchen, das da eben herunterfiel! Ich weine immer sehr gern aus Mitleid mit mir selbst. Nun genug, genug! Ich bin zu allem unfähig, und Sie desgleichen; wir haben jeder dem andern einen Nasenstüber gegeben; damit können wir uns trösten. Wenigstens leidet die Eitelkeit nicht dabei.«
    »Ein Irrereden im Traum!« rief Nikolai Wsewolodowitsch und ging händeringend im Zimmer auf und ab. »Lisa, du Arme, was hast du dir angetan?«
    »Ich habe mich an einer Kerze verbrannt, weiter nichts. Am Ende weinen Sie ebenfalls? Benehmen Sie sich anstandsmäßiger, gefühlloser ...«
    »Warum, warum bist du zu mir gekommen?«
    »Aber begreifen Sie denn gar nicht, in welche komische Situation Sie sich der Meinung der Welt gegenüber durch solche Fragen bringen?«
    »Warum hast du dich in so häßlicher, törichter Weise zugrunde gerichtet, und was willst du jetzt tun?«
    »Und das ist nun Stawrogin, der blutdürstige Stawrogin, wie eine hiesige Dame, die in Sie verliebt ist, Sie nennt! Hören Sie, ich habe es Ihnen ja schon gesagt: ich habe mein Leben nur auf eine Stunde berechnet und bin ganz ruhig. Machen Sie es mit Ihrem Leben ebenso ... übrigens, Sie haben dazu keinen Grund; Sie werden noch viele solche ›Stunden‹ und ›Augenblicke‹ haben.«
    »Ebenso viele wie du; ich gebe dir mein heiliges Ehrenwort: auch nicht eine Stunde mehr als du!«
    Er ging immer noch im Saale auf und ab und sah ihren schnellen, prüfenden Blick nicht,

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