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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Sie einem Ehrenworte vertrauen, die gemeinsame Sache preiszugeben, dazu sind Sie nicht berechtigt! So handeln Lumpe und von der Regierung erkaufte Subjekte!«
    »Wer ist denn hier von der Regierung erkauft?« fragte Liputin mürrisch.
    »Sie vielleicht. Sie würden besser tun zu schweigen, Liputin; Sie reden ja doch nur, um zu reden, aus Angewohnheit. Erkauft, meine Herren, sind alle diejenigen, die sich im Augenblicke der Gefahr feige benehmen. Aus Furcht findet sich immer ein Dummkopf, der im letzten Augenblicke hinläuft und schreit: ›Ach, begnadigt mich, und ich will alle angeben!‹ Aber seien Sie sich darüber klar, meine Herren, daß Sie jetzt durch keine Denunziation mehr Begnadigung erlangen werden. Wenn man Ihnen auch eine Milderung der Strafe um zwei Stufen bewilligt, so blüht doch einem jeden von Ihnen Sibirien, und außerdem werden Sie auch einem anderen Schwerte nicht entgehen. Und dieses andere Schwert ist schärfer als das der Regierung.«
    Peter Stepanowitsch war in Wut und sprach manches Ungehörige. Schigalew trat mit Festigkeit drei Schritte auf ihn zu.
    »Seit gestern abend habe ich die Sache überdacht,« begann er im Tone der Überzeugung und, wie immer, in seiner methodischen Manier (ich glaube, wenn die Erde unter ihm eingestürzt wäre, so hätte er selbst dann den Ton seiner Stimme nicht verstärkt und die Akkuratesse seiner methodischen Darlegung auch nicht um ein Pünktchen vermindert. »Bei dieser Überlegung bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß der beabsichtigte Mord nicht nur den Verlust kostbarer Zeit bedeutet, die zur Erreichung wichtigerer und näherliegender Ziele verwendet werden könnte, sondern sich überdies auch als ein verderbliches Abweichen von dem normalen Wege darstellt, das der Sache stets den größten Schaden gebracht und ihren Erfolg um Jahrzehnte verzögert hat, indem man sich dem Einflusse leichtfertiger Menschen und insbesondere politischer Intriganten unterwarf statt demjenigen reiner Sozialisten. Ich bin hier erschienen, einzig und allein um zur Belehrung aller gegen das beabsichtigte Unternehmen zu protestieren und mich dann im gegenwärtigen Augenblicke, den Sie, ich weiß nicht warum, den Augenblick der Gefahr nennen, zu entfernen. Ich gehe fort, nicht aus Furcht vor dieser Gefahr und nicht aus Sympathie für Schatow, mit dem mich zu küssen ganz und gar nicht in meiner Absicht liegt, sondern einzig und allein weil diese ganze Sache von Anfang bis zu Ende meinem Programme vollständig zuwiderläuft. Was etwaige Besorgnisse anlangt, ich könnte denunzieren oder mich von der Regierung erkaufen lassen, so können Sie ganz beruhigt sein: ich werde nicht denunzieren.«
    Er drehte sich um und ging weg.
    »Hol's der Teufel, er wird ihnen begegnen und Schatow warnen!« rief Peter Stepanowitsch und zog seinen Revolver heraus.
    Man hörte das Knacken vom Spannen des Hahnes.
    »Sie können überzeugt sein,« sagte Schigalew, sich noch einmal umwendend, »daß, wenn ich Schatow auf dem Wege treffen sollte, ich ihn vielleicht grüßen, aber ihn nicht warnen werde.«
    »Aber wissen Sie auch wohl, daß Sie mir für dieses Verhalten vielleicht werden büßen müssen, Herr Fourier?«
    »Ich bitte Sie, zu beachten, daß ich kein Fourier bin. Dadurch, daß Sie mich mit diesem süßlichen, abstrakten Faselhans in einen Topf werfen, zeigen Sie nur, daß mein Manuskript, obwohl Sie es in Händen gehabt haben, Ihnen doch völlig unbekannt geblieben ist. Was Ihre Rache anlangt, so muß ich Ihnen sagen, daß Sie den Hahn ganz zwecklos gespannt haben; in diesem Augenblicke ist das für Sie durchaus unvorteilhaft. Wenn Sie mir aber für morgen oder für übermorgen drohen, so werden Sie außer überflüssigen Sorgen und Mühen auch wiederum nichts für sich dadurch gewinnen, daß Sie mich erschießen: Sie können mich töten, werden aber doch früher oder später auf mein System herauskommen. Leben Sie wohl!«
    In diesem Augenblicke ertönte in einer Entfernung von etwa zweihundert Schritten aus dem Parke von der Seite des Teiches her ein Pfiff. Liputin antwortete, gemäß der Abrede vom vorhergehenden Tage, sofort ebenfalls mit einem Pfiffe (zu diesem Zwecke hatte er sich, da er sich auf seinen ziemlich zahnlosen Mund nicht verlassen konnte, schon am Morgen auf dem Markte für eine Kopeke ein tönernes Kinderpfeifchen gekauft). Erkel hatte zu Schatow schon vorher gesagt, es werde gepfiffen werden, so daß bei diesem kein Argwohn entstehen konnte.
    »Seien Sie unbesorgt; ich

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