Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
hatte sich erst nach dem Schusse zu der Gruppe gesellt. Darauf waren sie alle die ganze Zeit über, während der Leichnam zurechtgemacht wurde, was wohl zehn Minuten dauerte, eines Teiles ihres Bewußtseins beraubt gewesen. Sie standen um den Leichnam herum und schienen nicht sowohl Unruhe und Aufregung als vielmehr nur Erstaunen zu empfinden. Liputin stand ganz vorn, dicht bei dem Leichname. Wirginski stand hinter ihm und sah ihm mit einer besonderen Art von Neugier, als ob er unbeteiligt wäre, über die Schulter; er hob sich sogar auf die Fußspitzen, um besser zu sehen. Ljamschin versteckte sich hinter Wirginski, schaute nur selten und furchtsam hinter ihm hervor und verbarg sich immer sogleich wieder. Als die Steine angebunden waren und Peter Stepanowitsch sich aufrichtete, fing Wirginski auf einmal am ganzen Körper leise zu zittern an, schlug die Hände zusammen und rief traurig mit lauter Stimme:
    »Das ist nicht das Richtige, nicht das Richtige! Nein, das ist gar nicht das Richtige!«
    Er hätte vielleicht noch etwas zu seinem so spät kommenden Ausruf hinzugefügt; aber Ljamschin ließ ihn nicht weitersprechen; auf einmal umfaßte er ihn mit aller Kraft, preßte ihn von hinten zusammen und kreischte dabei in einer ganz unnatürlichen Weise. Es kommen Augenblicke eines starken Affekts, zum Beispiel des Schreckens, vor, wo der Mensch auf einmal mit einer fremdartigen Stimme aufschreit, mit einer Stimme, wie man sie bei ihm von vornherein gar nicht voraussetzen konnte, und das macht manchmal einen geradezu furchtbaren Eindruck. Ljamschin schrie nicht mit menschlicher, sondern mit einer Art von tierischer Stimme. Immer fester und fester, sich krampfhaft anstrengend, preßte er von hinten Wirginski mit seinen Armen zusammen; er kreischte ohne Pause und Unterbrechung, starrte alle mit weit aufgerissenen Augen an, machte den Mund weit auf und stampfte heftig mit den Füßen auf die Erde, als ob er auf ihr einen Trommelwirbel ausführen wolle. Wirginski war so erschrocken, daß er selbst wie von Sinnen aufschrie, und suchte in einer so grimmigen Wut, wie man sie bei ihm gar nicht hätte erwarten können, sich aus Ljamschins Armen loszureißen, wobei er ihn kratzte und stieß, soweit er mit den Armen nach hinten reichen konnte. Erkel half ihm schließlich, Ljamschin loszureißen. Aber als Wirginski voller Angst zehn Schritte beiseite gesprungen war, erblickte Ljamschin plötzlich Peter Stepanowitsch, heulte von neuem auf und stürzte sich nun auf diesen. Über den Leichnam stolpernd, fiel er über diesen hinweg auf Peter Stepanowitsch und umpackte diesen so fest mit seinen Armen, indem er sich mit seinem Kopfe gegen dessen Brust drückte, daß weder Peter Stepanowitsch noch Tolkatschenko noch Liputin im ersten Augenblicke etwas dagegen tun konnten. Peter Stepanowitsch schrie, schimpfte und schlug ihn mit den Fäusten auf den Kopf; als er sich endlich mit Not und Mühe losgerissen hatte, ergriff er seinen Revolver und richtete ihn gerade auf den offenen Mund des immer noch heulenden Ljamschin, den nun Tolkatschenko, Erkel und Liputin fest an den Armen gefaßt hatten; aber Ljamschin heulte trotz des Revolvers immer weiter. Schließlich ballte Erkel sein Taschentuch zusammen und stopfte es ihm geschickt in den Mund; auf diese Weise hörte das Schreien auf. Tolkatschenko hatte ihm inzwischen mit einem übriggebliebenen Ende Strick die Hände zusammengebunden.
    »Das ist sehr sonderbar,« sagte Peter Stepanowitsch, der erstaunt und beunruhigt den Verrückten betrachtete.
    Er war sichtlich betroffen.
    »Ich hatte ihn ganz anders beurteilt,« fügte er nachdenklich hinzu.
    Einstweilen ließ man Erkel bei ihm. Man mußte sich mit dem Toten beeilen: es war so viel Geschrei gewesen, daß es doch irgendwo gehört sein konnte. Tolkatschenko und Peter Stepanowitsch hoben die Laternen in die Höhe und faßten den Leichnam unter den Kopf. Liputin und Wirginski griffen nach den Beinen; so trugen sie ihn. Mit den beiden Steinen war die Last ziemlich schwer, und die Entfernung betrug mehr als zweihundert Schritte. Der Stärkste von allen war Tolkatschenko. Er riet, man solle Schritt halten; aber niemand antwortete ihm, und sie gingen, wie es sich gerade traf. Peter Stepanowitsch ging rechts und trug, ganz gebückt, den Kopf des Toten auf seiner Schulter; mit der linken Hand hielt er von unten den Stein. Da Tolkatschenko auf der ganzen ersten Hälfte des Weges nicht auf den Gedanken kam, beim Halten des Steines zu helfen, so schrie

Weitere Kostenlose Bücher