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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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heranzugehen, begann er ebenfalls blindlings davonzulaufen. Aber die Nacht war so dunkel und sein Unternehmen so schrecklich und mühevoll, daß er, nachdem er zwei oder drei Straßen durcheilt hatte, nach Hause zurückkehrte und sich die ganze Nacht einschloß. Wie es scheint, machte er gegen Morgen einen Selbstmordversuch, der jedoch nicht gelang. Er saß jedoch im verschlossenen Zimmer beinahe bis zum Mittage – und lief dann plötzlich zur Polizei. Man sagt, er sei auf den Knien herumgerutscht, habe geschluchzt, gewinselt, den Fußboden geküßt und geschrien, er sei nicht würdig, auch nur die Stiefel der vor ihm stehenden hohen Beamten zu küssen. Man beruhigte ihn und behandelte ihn sogar freundlich. Das Verhör zog sich, wie man sagt, etwa drei Stunden lang hin. Er deckte alles auf, alles; er erzählte alle Geheimnisse, alles, was er wußte, mit allen Einzelheiten; er griff vor, konnte gar nicht schnell genug bekennen und teilte sogar Unnötiges mit und ungefragt. Es stellte sich heraus, daß er recht viel wußte und die Sache anschaulich darzustellen verstand. Die Tragödie mit Schatow und Kirillow, die Feuersbrunst, der Tod der Geschwister Lebjadkin und so weiter, dies alles trat dabei in die zweite Linie zurück; in die erste Linie trat Peter Stepanowitsch, die geheime Gesellschaft, die Organisation, das Netz. Auf die Frage, wozu denn so viele Mordtaten, Skandalgeschichten und Schändlichkeiten begangen seien, antwortete er eilig und eifrig: zum Zwecke einer systematischen Erschütterung der Fundamente; zum Zwecke einer systematischen Zersetzung der Gesellschaft und aller Elemente; um alle zu entmutigen und aus allem einen Mischmasch zu machen und, wenn dann die Gesellschaft auf diese Weise ins Wanken gebracht, krank und matt, zynisch und ungläubig geworden sei, sich aber grenzenlos nach einem leitenden Gedanken und nach Selbsterhaltung sehne, sie auf einmal selbst in die Hand zu nehmen, indem man die Fahne der Empörung erhebe und sich auf ein ganzes Netz von Fünferkomitees stütze, die unterdes gewirkt, geworben und praktisch alle Kunstgriffe und alle schwachen Stellen, die man in Angriff nehmen könne, ausprobiert hätten. Er schloß damit, hier in unserer Stadt sei durch Peter Stepanowitsch nur ein erster Versuch der systematischen Herbeiführung einer solchen Unordnung gemacht worden; es sei damit sozusagen ein Programm der weiteren Aktionen, sogar als Muster für alle Fünferkomitees, aufgestellt worden. Dies sei sein (Ljamschins) eigener Gedanke und seine eigene Vermutung; man möge ihm das jedenfalls gedenken und möge in Betracht ziehen, in welcher offenherzigen, anständigen Weise er die ganze Sache klarlege, und daß er somit sogar auch künftig der Behörde werde gute Dienste leisten können. Auf die bestimmte Frage, ob es viele Fünferkomitees gebe, antwortete er, es gebe ihrer eine unendliche Menge; ganz Rußland sei mit einem Netze überdeckt; und obgleich er keine Beweise dafür beibrachte, so antwortete er, wie ich meine, doch ganz seiner Überzeugung gemäß. Er präsentierte nur ein im Auslande gedrucktes Programm der geheimen Gesellschaft und einen zwar nur im Unreinen, aber von Peter Stepanowitschs eigener Hand geschriebenen Entwurf, in welchem das System weiterer Aktionen entwickelt war. Es stellte sich heraus, daß Ljamschin das, was er über die Erschütterung der Fundamente gesagt hatte, buchstäblich aus diesem Blatte zitiert hatte, sogar ohne die Punkte und Kommata zu vergessen, obwohl er versicherte, daß das nur seine eigene Auffassung sei. Über Julija Michailowna äußerte er sich erstaunlich spöttisch und sogar ungefragt und vorgreifend dahin, sie sei ganz unschuldig, und man habe sie nur zum besten gehalten. Merkwürdig aber ist, daß er jede Beteiligung Nikolai Stawrogins an der geheimen Gesellschaft und jedes Einverständnis desselben mit Peter Stepanowitsch völlig in Abrede stellte. (Von den großartigen, sehr lächerlichen Hoffnungen, die Peter Stepanowitsch auf Stawrogin setzte, hatte Ljamschin nicht die entfernteste Ahnung.) Die Ermordung der Geschwister Lebjadkin war nach seiner Darstellung nur allein von Peter Stepanowitsch bewerkstelligt worden, ohne jede Beteiligung Nikolai Wsewolodowitschs, in der schlauen Absicht, diesen in ein Verbrechen hineinzuziehen und dadurch in Abhängigkeit von ihm (Peter Stepanowitsch) zu bringen. Aber statt Dankbarkeit, auf die Peter Stepanowitsch leichtsinnigerweise zuversichtlich gerechnet habe, habe er bei dem edeldenkenden

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