Die Dämonenfalle
Elektromotors hören. Und noch einige andere Geräusche schwangen in der Luft und verrieten die Anwesenheit von Räderwerken und Pumpen.
»Unser begehbarer Eisschrank«, verkündete Rebecca gutgelaunt.
Sie nahm sich einen dicken Pelzmantel von einem Haken an der Wand neben der Kammer und drückte mir ebenfalls einen in die Hand.
»Hier, den werden Sie brauchen«, sagte sie. »Da drin ist es kälter als in den Dingern, die man jetzt in größeren Lebensmittelgeschäften benutzt. Viel kälter.«
Rebecca hatte die Wahrheit gesagt. Als sie die Tür öffnete, quoll ein weißer, eisiger Nebelschwall aus der Kammer heraus. In ihrem Innern befanden sich Dutzende von Regalen, die allesamt Quadratzoll für Quadratzoll von einer feinen Schicht aus hartem Eis überzogen waren. Eine Vielzahl von Tiegeln, Beuteln und luftdicht verschlossenen Glasbehältern waren darin untergebracht. Neugierig versuchte ich, ihren Inhalt zu erkennen, bevor ich rasch wieder wegsah. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie sind im Dienste der Wissenschaft konservierte menschliche Organe noch ekelerregender als eine komplette Leiche am Stück.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Die Versicherungspolice unserer Familie. Die forensische Pathologie teilt sich diesen Gefrierraum mit der medizinischenAbteilung. Jede biologische Absonderlichkeit, auf die wir im Laufe der Jahre gestoßen sind, befindet sich hier. Eines Tages werden wir auf alle diese Rätsel Antworten haben.«
»Und eines Tages werden die Borgias den Vatikan verlassen«, erwiderte ich.
Rebecca legte das Tütchen auf ein hohes Regal und lächelte mich zuversichtlich an. »Warten Sie’s ab, wir sehen uns wieder.«
Zwei
Manhattan City, A.D. 1853
Es war später Nachmittag, als die SST am Flugplatz Newark zur Landung ansetzte. Die Sonne stand schon tief am Himmel und tauchte die Wolkenkratzer in einen rot-goldenen Schein. Fasziniert drückte ich mein Gesicht an das kleine Sichtfenster. Alles dort unten wirkte neu und modern; in diesem Licht hatte man fast den Eindruck, als ob die Gebäude gerade erst erbaut worden wären. Sie sahen so unberührt, so makellos aus.
Dann waren wir über dem Flugplatzgelände, und die niedrigen Betriebsgebäude entlang der Landebahn verstellten die Sicht. Während wir zum Ankunftsterminal rollten, packte ich meine Unterlagen in den Aktenkoffer zurück. Ich hatte den dreistündigen Flug über den Atlantik dazu genutzt, noch einmal die wichtigsten Berichte und Vernehmungsprotokolle durchzugehen und mein Gedächtnis bezüglich des Falls ein wenig aufzufrischen. Aus irgendeinem Grund schlugen mir die Geister der Vergangenheit jedoch auf den Magen. Die Erinnerungen war nur allzu präsent: die kalte Nacht, die blutüberströmte Leiche. Francis fehlte nun bei der Ermittlung, er war seit fünf Jahren tot. Ich gebe freimütig zu, dass er mir bei den Nachforschungen, wer den armen Justin Ascham Raleigh ermordethatte, immer ein gewisser Lichtblick gewesen war. Stets hatte der alte missus dominicus Zuversicht ausgestrahlt und war für mich die Verkörperung einer unwiderstehlichen Kraft gewesen. Seiner ruhigen Beharrlichkeit, so hatte ich immer gedacht, würde es zu verdanken sein, wenn wir den Mörder am Ende entlarvten. Jetzt jedoch oblag diese Aufgabe mir.
Über den Passagier-Laufgang des Flugzeugs gelangte ich in die Ankunftshalle. Neill Heller Caesar wartete bereits, um mich in Empfang zu nehmen. Äußerlich hatte er sich wenig verändert, so wie ich wohl auch. Allerdings unterschieden wir uns, was unseren Modegeschmack anging, offenbar ganz erheblich; die fünfziger Jahre als eine schillernde Zeit der radikalen Umbrüche brachten auch in puncto Garderobe Auswüchse mit sich, mit denen ich mich nicht anzufreunden vermochte. Neill Heller Caesar hingegen trug einen grellweißen Anzug, zu dem eine Hose mit so weitem Schlag gehörte, dass man die Schuhe gar nicht mehr sah. Sein violettgrünes Gazehemd wusste mit gut fünf Zoll langen abgerundeten Kragenecken zu punkten. Und sein volles Haar war neuerdings gewellt und reichte ihm bis über die Schultern. Auf seiner Nase hockte eine kleine, niedliche Sonnenbrille mit gelblich getönten Gläsern in einer Goldfassung.
Er erkannte mich sofort und schüttelte mir die Hand. »Willkommen in Manhattan«, begrüßte er mich.
»Danke. Ich wünschte, unser Wiedersehen fände unter angenehmeren Umständen statt.«
Er schob seine Sonnenbrille auf der Nase zurück. »Was Sie betrifft, mag das zutreffen. Ich für meinen Teil
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