Die Daemonenseherin
die Nacht damit verbracht, Gespräche zu führen«, wechselte Devon das Thema. »Nachdem Burke begriffen hatte, dass ihre Versuche endgültig am Ende sind, ist sie erstaunlich gesprächig geworden. Du hattest die ganze Zeit über recht: Niemals hätten diese Experimente ohne das Wissen und die Deckung des Rates stattfinden können.«
Logan sah erstaunt auf.
»Aber es war nicht der ganze Rat«, fuhr er fort, »sondern nur ein einziges Mitglied: Frank Straub. Inzwischen hat er zugegeben, die Versuche gedeckt und zum Teil sogar finanziert zu haben.«
»Hat er auch die Morde am Professor und an den Dämonensehern gestanden?«
Devon schüttelte den Kopf. »Bis jetzt noch nicht.«
Sie hatten das Labor ausgegraben und den Hintermann, der alles deckte, gefunden, und trotzdem hatte Logan das Gefühl, dass etwas an dem Bild noch nicht stimmig war. Es dauerte nicht lange, bis ihm bewusst wurde, wo der Fehler lag. »Er wird auch nichts gestehen.«
»Warum nicht?«
»Es passt einfach nicht«, sagte er kopfschüttelnd. »Warum sollte er einerseits die Experimente unterstützen und gleichzeitig das wertvollste Kapital dieser Forscher umbringen?«
»Das heißt, der Mörder ist immer noch auf freiem Fuß.« Devon atmete tief durch und fuhr sich über das Gesicht. Als er Logan wieder ansah, wirkte er resigniert. »Aber wie sollen wir den finden?«
»Es muss jemand sein, der mit der Gemeinschaft einigermaßen vertraut ist«, überlegte Logan laut. »Jemand, der auf die Unterlagen zugreifen kann und der … Scheiße!« Als ihm bewusst wurde, dass es nur einen gab, der im Besitz des nötigen Wissens war, sprang er auf. »Es ist Morgan!«
»Dein Polizisten-Freund?«
Logan war schon auf halbem Weg zur Tür. »Er weiß, dass Alessa in meiner Wohnung ist und dass ich nicht da bin!«
28
O bwohl ihr die Müdigkeit immer noch in den Knochen steckte, war es Alessa einfach nicht gelungen, die Finger von Logan zu lassen. Daran konnte auch der dumpfe Schmerz in ihrer Schulter nichts ändern. Mit ihm zu schlafen und ihn zu spüren, ließ sie erst realisieren, dass sie sich in Sicherheit befand. In jeder seiner Berührungen lag das stumme Versprechen, sie zu beschützen und für sie da zu sein. Ein Gefühl, das sie im Augenblick so dringend brauchte wie die Luft zum Atmen.
Nachdem Logan gegangen war, nahm sie eine ausgedehnte Dusche, ehe sie wieder in den Pyjama schlüpfte und nach nebenan ging, um Avery zu begrüßen. Der blonde Hüne war sichtlich erleichtert, sie auf den Beinen zu sehen. Trotzdem fiel ihr gemeinsames Frühstück eher schweigsam aus, denn sobald sie sich auf einen der Barhocker am Küchentresen geschwungen hatte, kehrte die Müdigkeit mit solcher Wucht zurück, dass sie schon beim Bestreichen ihres Brötchens beinahe eingeschlafen wäre. Daran konnte auch der starke Kaffee nichts ändern, den Avery ihr vor die Nase stellte.
»Alessa, es tut mir so leid, dass ich das verbockt habe«, sagte er wohl zum hundertsten Mal und riss sie aus dem Halbschlaf. »Wenn ich geahnt hätte –«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist okay. Mach dir keine Sorgen.«
»Ich habe die Lage falsch eingeschätzt«, fuhr er trotzdem fort. »Das hätte mir nicht passieren dürfen! Die haben mich wie einen blutigen Anfänger überrumpelt.«
»Du hattest die Männer im Blick.«
»Toll«, schnaubte er. »Dafür hat sich der Zweimeterriegel von einer Frau aus den Schuhen hauen lassen.«
Alessa verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass es wohl eher der Strom war, der ihn außer Gefecht gesetzt hatte. Das hätte ihn auch nicht getröstet. Sie starrte auf ihre Kaffeetasse, auf der Suche nach dem Mut, den ihre nächste Frage kosten würde. Logan hatte ihr kaum etwas erzählt, seine Zurückhaltung war ein deutliches Zeichen dafür gewesen, dass er im Augenblick nicht darüber sprechen wollte – vermutlich, um sie zu schonen. Nicht auszusprechen, was mit Susannah passiert war, machte es nur schlimmer. Auch wenn sie die Antwort längst zu wissen glaubte, musste sie die Worte hören. »Sie ist tot, nicht wahr?«
Avery sah auf. Er seufzte und griff über den Tresen hinweg nach ihrer Hand. »Die Ärzte konnten ihr nicht mehr helfen. Es tut mir leid.«
Alessa war sich nicht sicher, ob es ihr auch leidtat. Ein Teil von ihr trauerte um die Freundin, die sie verloren hatte, während der andere Teil noch immer vor Wut über Susannahs Verrat schäumte. Es war weniger die Tatsache, dass Susannah sie verraten hatte, als vielmehr die Erkenntnis, wie sehr Alessa
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