Die Daemonenseherin
zuckte die Schultern. »Ich bin nur überrascht«, gestand er. »Du liebst sie wirklich.«
Noch vor ein paar Tagen hätte sich Logan nicht vorstellen können, mit jemandem aus seinem Team über sein Privatleben zu sprechen – nicht einmal, wenn er eines gehabt hätte. Jetzt jedoch nickte er. »Ja, das tue ich.«
Avery grinste.
»Was ist daran so komisch?«
»Nichts. Ich mag sie und ich freue mich für euch – nur Pokern solltest du nicht mit ihr. Sie spielt grauenhaft.«
Logan lachte. Dann fiel ihm etwas ein. »Hör mal, könntest du morgen früh noch mal vorbeikommen und für ein paar Stunden auf Alessa achtgeben? Ich habe noch etwas auf dem Anwesen zu erledigen. So gegen neun?«
»Klar. Ich bringe frische Brötchen mit.«
27
I n dieser Nacht fand Logan nur wenig Schlaf.
Er kroch zu Alessa unter die Decke und zog sie in seine Arme, um sie warm zu halten – und um sie zu berühren und sicherzugehen, dass sie auch wirklich da war. Immer wieder schreckte er aus wirren Träumen auf, in denen er Alessa tot neben sich sah, zerrissen von dem Dämon, der sich aus seinem Gefängnis befreit hatte, oder umgebracht von einer Überdosis Betäubungsmittel. Ihm wurde schnell klar, er würde keine Ruhe finden. Er lag im Dunkeln neben ihr und lauschte ihren regelmäßigen Atemzügen, die so beruhigend waren, dass sie ihn zumindest für eine Weile seine Unruhe vergessen ließen. Doktor Yardes hatte sich keine Sorgen gemacht, deshalb sollte er es ebenso wenig tun, doch Logan konnte nicht aus seiner Haut. Sie atmen zu hören nahm ihm nur eine seiner Ängste. Sobald er die Augen schloss, sah er die Fratze des Dämons vor sich, der sich über Alessa beugte, bereit jeden anzugreifen, der sich ihm näherte. Sie war lediglich ein paar Stunden in Doktor Burkes Gewalt gewesen und Logan bezweifelte, dass die Ärztin bereits mit ihren Versuchen begonnen hatte. Was ihn jedoch beunruhigte, war die Frage, welche Wirkung das Betäubungsmittel auf die Mauern hatte, die den Dämon gefangen hielten. Logans Fantasie gaukelte ihm Bilder von einem gewaltigen Samenkorn vor, das unter ihrer Haut pulsierte, kurz davor, zu platzen und seine dämonische Frucht freizugeben.
Unsinn! , versuchte er sich zu beruhigen. Als er ihr den Pyjama angezogen hatte, war ihm der Dämon nicht größer vorgekommen.
Du hast ihn doch gar nicht gesehen! , hielt eine beharrliche Stimme dagegen.
Nein, er hatte den Verband nicht von ihrer Schulter entfernt, aber er war sicher, dass es ihm aufgefallen wäre, wenn sich das Samenkorn darunter verändert hätte. Womöglich hätte sich der Verband nach außen gewölbt oder aber die dunklen Umrisse des Korns wären rechts und links des Verbandmulls zu sehen gewesen.
»Da war nichts«, flüsterte er in die Dunkelheit.
Trotzdem knipste er die Nachttischlampe an und zog vorsichtig die Decke von Alessas Schulter. Er öffnete die obersten Knöpfe des Schlafanzuges und zog ihn zur Seite, bis er ihre Schulter sehen konnte.
Alessa drehte den Kopf zu ihm herum. Verschlafen sah sie ihn an. »Logan?«
Er strich ihr über den Arm. »Schlaf weiter«, sagte er leise. »Ich will nur sehen, ob die Wunde in Ordnung ist.«
Noch während er den Pflasterverband löste, schloss sie die Augen und war bereits wieder eingeschlafen. Logan hob den Verband. Der Anblick der einzelnen Stiche und des tiefen Schnitts weckte in ihm die Erinnerung an jene Nacht, in der er sie in ihrem eigenen Blut liegend gefunden hatte. Vorsichtig strich er am Rand der Naht entlang, tastete nach dem Samenkorn darunter, doch er konnte es kaum fühlen. In ihrer ersten gemeinsamen Nacht war die Erhebung deutlich zu spüren gewesen, jetzt jedoch war da kaum mehr als eine sanfte Schwellung. Erleichtert befestigte Logan den Verband wieder und zog den Schlafanzug zurecht.
Er schaltete das Licht aus und rückte so dicht an Alessa heran, dass sie mit dem Rücken an seiner Brust lag. Die Arme um sie geschlungen, blieb er bis zum Morgen so liegen.
Sobald es draußen hell wurde, stand er auf und ging in die Küche. Er setzte Wasser auf, wartete, bis es kochte, und füllte es in eine Wärmflasche, die er Alessa unter die Decke schob, damit sie seine Körperwärme nicht zu sehr vermissen würde. Dann ging er ins Bad.
Als er später aus der Dusche kam, griff er nach dem Telefon und rief Morgan an. Er lieferte dem Bullen eine Zusammenfassung dessen, was gestern geschehen war, und bat ihn dafür zu sorgen, dass die Labormitarbeiter abgeholt und in den Knast verfrachtet wurden.
Weitere Kostenlose Bücher