Die Daemonenseherin
kostete sie eine Menge Kraft, nicht einfach kopflos davonzulaufen, trotzdem zwang sie sich dazu, langsam zu gehen.
Jetzt, da sie wusste, dass mit diesem Drake etwas nicht stimmte, stand sie wieder allein mit ihrer Sorge um Susannah da. Aber an aufgeben wollte sie nicht denken.
Da sie keinen PC hatte, ging sie in ein Internetcafé und suchte Telefonnummern verschiedener Behörden und Firmen heraus, um diese nach Susannah abzuklappern. Sie versuchte ihr Glück bei Strom- und Heizungsfirmen, bei der Meldebehörde, der Post und noch einmal bei ihrem Telefonprovider. Keiner konnte oder wollte ihr weiterhelfen.
Kurz nach Mittag machte Alessa sich auf den Weg nach Hause, als ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Tasche und warf einen hoffnungsvollen Blick auf das Display, doch es war nicht Susannahs Name, der dort aufblinkte, sondern nur ein Unbekannter Teilnehmer . Da sie hoffte, es könnte trotzdem Susannah sein, die von einem anderen Apparat aus anrief, nahm sie das Gespräch an.
»Miss Flynn? Logan Drake hier. Ich …«
Alessa beendete die Verbindung, ließ das Handy in die Jackentasche gleiten und ging auch nicht mehr ran, als es noch einmal klingelte. Nicht ans Telefon zu gehen würde das Problem nicht lösen – vor allem solange er wusste, wo sie wohnte. Mit einem flauen Gefühl im Magen stieg sie in den Bus nach Hause. Immer wieder sah sie sich nach allen Seiten um, musterte die Mitfahrenden und später, als sie die letzten Meter zu Fuß zurücklegte, jeden, der ihr auf der Straße begegnete. Als sie an Mr Farnsworths Laden vorbeikam, warf sie einen Blick durch die Schaufensterscheibe und winkte dem alten Mann kurz zu, ehe sie ins Haus schlüpfte. Womöglich war dies das letzte Mal, dass sie ihn sah. Sie mochte ihn und hätte sich gerne von ihm verabschiedet, doch ihre Chancen unterzutauchen standen besser, wenn er von nichts wusste. Sie würde ihn später anrufen und sich krankmelden. Bis er ihr Verschwinden bemerkte, würden einige Tage vergehen – wertvolle Zeit, die ihr einen Vorsprung verschaffte. Sie würde erst einmal in eine Pension ziehen, auch wenn das ihren ohnehin kaum vorhandenen Ersparnissen alles andere als guttat.
In ihrem Zimmer angekommen zog sie ihre Reisetasche unter der Schlafcouch hervor. Als sie damals aus dem Labor geflohen war, hatte sie bloß den Krankenhauskittel angehabt. Sie hatte ein paar Klamotten gestohlen und sich später nur wenig gekauft. Diese wenigen Sachen stopfte sie nun in die Tasche, als es an der Tür klingelte. Alessa erstarrte mitten in der Bewegung.
Mr Farnsworth konnte es nicht sein, denn er ließ den Laden nie unbeaufsichtigt, und es war auch noch nie vorgekommen, dass er während des Tages zugesperrt hatte, um Waren zu holen.
Es klingelte noch einmal.
Alessa rührte sich nicht.
»Miss Flynn?«, drang Detective Drakes Stimme durch die Tür.
Sie presste den Pullover an die Brust, den sie gerade in die Tasche hatte werfen wollen, und wartete. Drake klingelte noch einmal, schließlich klopfte er.
Stille.
Eine Weile wagte Alessa nicht, sich zu rühren, dann schlich sie zum Fenster, um nachzusehen, ob er das Haus verließ.
»Miss Flynn!« Er stand noch immer vor ihrer Tür. »Ich weiß, dass sie da sind! Ich kann sie hören.«
Die verdammten Dielen! Sie wandte sich um. »Verschwinden Sie!«, rief sie der Tür entgegen.
»Heute Morgen wollten Sie mich noch sprechen und jetzt soll ich abhauen?«
Alessa stürmte zur Tür und riss sie auf. »Sie sind kein Polizist! Hauen Sie ab!«
Sie wollte die Tür wieder zuwerfen, doch er fing sie ab und trat in die Wohnung. Alessa wich zurück, ließ sich von ihm immer weiter über den Flur und in Richtung ihres Zimmers drängen. Wie von selbst begann sie ihre Schutzschilde fallen zu lassen und nach ihrer Kraft zu greifen.
»Sie gehen jetzt!« Ihr Blick bohrte sich in seinen. Sie ließ ihren Willen in seinen Geist fluten und machte ihn zu seinem eigenen. Zumindest wollte sie das.
Stattdessen sagte er: »Erst müssen wir uns unterhalten.«
Für einen Moment starrte sie ihn an. Noch niemand hatte sich ihrer Beeinflussung entziehen können. Das machte ihre Gabe so gefährlich und hilfreich zugleich.
»Sie wollen gar nicht hier sein.«
»Was reden Sie da? Natürlich will ich hier sein, sonst wäre ich kaum gekommen!«
Was zum …? Sie versuchte noch mehr Kraft in ihren Willen zu legen, spürte, wie die Energie wild in ihr aufloderte, und ließ sie fließen, als der Dämon sich zu regen begann. Sein Brüllen durchdrang
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