Die Daemonenseherin
verabscheut?«
»Wie kommst du darauf?«
»Abgesehen davon, dass du die Gemeinschaft einen Haufen von Intriganten nennst, strömt dir die Abscheu aus jeder Pore.« Damals in ihrer Wohnung, als sie seine Wut und Kälte gespürt hatte, war sie nicht in der Lage gewesen, den Grund für diese Gefühle zu erkennen. Jetzt wusste sie, dass sie den Sehern galten. Es war die gleiche Ablehnung, die Alessa von ihren Eltern zu spüren bekommen hatte. »Auch wenn ich abgehauen bin, bin ich noch immer eine von ihnen.«
»Was ich über die Gemeinschaft denke, hat nichts mit dir zu tun«, sagte er. »Ich will dir wirklich helfen, aber du musst mir sagen, was los ist.«
Sie biss sich auf die Lippe. »Das kann ich nicht.«
Sie wollte die Autotür öffnen und aussteigen, da beugte er sich zu ihr herüber und legte seine Hand auf ihre, die bereits auf dem Türgriff ruhte. »Ich fahre dich nach Hause.«
8
E in Nadelstich in ihrem Arm war das Erste, was Susannah nach langer Finsternis spürte. Ein Brennen kroch von der Einstichstelle aus unter ihrer Haut entlang wie flüssiges Feuer. Nicht der Schmerz weckte sie aus dem künstlichen Schlaf, sondern das Serum.
Ihre Glieder waren schwer und ihr Gehirn sprang nur langsam an. Träge gab es die Erinnerung an ihre Entführung frei. Sie hatten sie zurück ins Labor gebracht . Der Tank! Susannah riss die Augen auf und wurde beinahe von der Schwärze erdrückt, die sie umgab. Das Gewicht der Dunkelheit presste auf ihren Brustkorb und nahm ihr den Atem. Sie wollte schreien, doch über ihre trockenen Lippen kam nicht mehr als ein heiseres Krächzen. Mit hektischen Atemzügen sog sie die Luft in ihre Lungen. Sie spürte, wie sich ihr Brustkorb hob und unter der eindringenden Luft ausdehnte. Es würde nicht genügen. Sie würde ersticken!
Kalter Schweiß brach aus ihren Poren und legte sich wie eine eisige Decke über ihre Haut. Es war kalt. So furchtbar kalt. Wie damals.
O Gott, lass mich sterben. Bitte lass mich sterben. Noch einmal halte ich das nicht aus!
Mit einem Zischen öffnete sich der Deckel des Stahltanks nun ganz. Die Dunkelheit wich einem milchigen Grau und gab den Blick auf zwei verschwommene Gestalten frei, die sich über sie beugten.
»Sie ist wach«, sagte der eine, packte sie beim Arm und zog sie aus dem Tank. Sobald ihre nackten Fußsohlen den Boden berührten, gaben ihre Beine unter ihr nach. Gnadenlos gruben sich die behandschuhten Finger der beiden Männer in ihre Oberarme und verhinderten, dass sie stürzen konnte. Sie schleiften sie aus der winzigen Kammer, hinaus auf einen notdürftig beleuchteten Flur.
Susannah war noch immer benommen von dem künstlichen Schlaf, aus dem das Serum sie gerissen hatte, doch allmählich klärte sich ihre Sicht und sie begann Einzelheiten wiederzuerkennen. Das verblichene gelbe Linoleum, der fensterlose Gang. Die beiden Kerle in weißen Kitteln, die sie flankierten. Doktor Burkes Assistenten. All das war ihr ebenso erschreckend vertraut wie der Isolationstank, aus dem man sie gerade geholt hatte.
Sie wurde in ein kleines Labor gebracht. Die weiß gestrichenen Wände wirkten ebenso kalt und abweisend wie die verchromten Einrichtungsgegenstände. Einer der Assistenten drückte sie in einen Sessel, der dem Behandlungsstuhl in einer Zahnarztpraxis nicht unähnlich war – wenn man einmal davon absah, dass kein Zahnarzt Hand- und Fußgelenke seiner Patienten mit Lederbändern fixierte, wie es der andere Mann in Weiß nun tat.
Susannah wollte sich losreißen, doch das bisschen Kraft, das ihr die Schlafdrogen nicht aus dem Körper gesogen hatten, wurde mühelos von dem Mann in Zaum gehalten, der sie festhielt. Sobald Arme und Beine an den Stuhl gefesselt waren, ließ er sie los und trat einen Schritt zurück, um seinem Kollegen Platz zu machen, der ein Lederband von einer Seite des Stuhls über Susannahs Stirn auf die andere Seite zog. Jetzt war sie nicht einmal mehr imstande, den Kopf zu drehen.
Stumme Tränen liefen ihr über die Wangen und versickerten im Kragen ihres Krankenhausnachthemds.
»Kein Grund zu flennen.« Die Umrisse der beiden Männer lagen jetzt hinter einem Tränenschleier verborgen, sodass sie kaum mehr als das Weiß ihrer Laborkittel ausmachen konnte. »Sie sind in Sicherheit. Hier ist nichts, das Sie nicht kennen.«
Das meiste davon kannte sie zu gut. Vor allem das Ergebnis der ersten Forschungen und deren grausames Ende auf dem Leith Walk.
Kühle Feuchtigkeit am Arm ließ sie zusammenzucken. Jemand tupfte ihre
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