Die Daemonenseherin
dorthin. Stellt sicher, dass es ihr gut geht, und falls sie in Schwierigkeiten steckt, helft ihr.« Undeutlich und viel zu leise, um etwas verstehen zu können, drang die Stimme seines Gesprächspartners aus dem Lautsprecher. Sobald der geendet hatte, sagte Logan: »Wenn sie nicht dort ist, dann peilt das Handy an. Haltet mich auf dem Laufenden.« Nach einer kurzen Pause sagte er: »Es ist wichtig.« Dann legte er auf und sah Alessa an. »Keine Angst, die Jungs werden sie finden.«
»Jungs?«
»Mein Team.«
Alessa zwang sich zu einem dankbaren Lächeln. Sicher war sie froh um die Hilfe, dass nun aber nicht nur Logan nach Susannah suchte, sondern gleich sein ganzes Team, behagte ihr nicht sonderlich. Das machte in Summe einfach zu viele Leute, die ihr gefährlich werden konnten.
»Bist du müde?«
Sie nickte.
»Meine Wohnung ist nicht weit von hier.«
Sie setzte zu einem Protest an, denn wenn sie eines nicht vorhatte, dann war das, in seine Wohnung zu gehen.
Logan kam ihr zuvor. »Dort steht mein Auto. Wir holen es und dann fahre ich dich nach Hause.«
»Sicher.« Beinahe war sie enttäuscht, dass er gar nicht versuchte, sie zu sich nach Hause einzuladen – aber nur beinahe. Seine Nähe mochte sich gut anfühlen, mochte Sicherheit und Trost spenden, doch darüber hinaus durfte sie nicht vergessen, wer er war.
Den kurzen Weg legten sie schweigend zurück, und auch als sie in seinem Geländewagen saßen, sprachen sie nicht viel. Es war eine angenehme Stille, die Alessa dazu brachte, sich im Sitz zurückzulehnen und die Augen zu schließen.
»Würdest du mir eine Frage beantworten?«
Alessa öffnete träge die Augen. »Welche?«
Er nahm den Blick von der Straße und sah sie an. »Bist du eine Seherin?«
»Ich?« Sie wusste nicht, ob sie entsetzt aufschreien oder weinen sollte, letztlich presste sie ein Lachen heraus. »Würde ich dann freiwillig in diesem Loch leben und mir meinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Zeitungen und Süßkram verdienen?«
Logan warf einen raschen Blick auf die Straße, ehe er seine Aufmerksamkeit erneut auf sie richtete. Vor ihnen schaltete eine Ampel auf Rot, sodass er anhalten musste. Nun blieb ihm ausreichend Zeit, sie zu mustern. »Wenn du eine Wilde wärst, vielleicht schon.«
Es fiel ihr schwer, sich nicht unter seinem Blick zu winden. »Wäre ich eine Wilde, würde ich mich kaum in eine Stadt wagen, in der eine Gemeinschaft ihren Sitz hat.«
»Auch wieder wahr.«
Logan schien sich mit ihrer Erklärung zufriedenzugeben. Als die Ampel auf Grün sprang, fuhr er los, den Blick wieder auf die Straße gerichtet. Alessa war nicht mehr danach, die Augen zu schließen. Sie sah aus dem Fenster und beobachtete, wie die dunkel aufragenden Häuserfronten an ihnen vorüberzogen. Fröhlich aussehende Menschen kamen aus Pubs, Kinos und Restaurants, standen an Bushaltestellen, unterhielten sich und lachten. Die Welt hinter den Autoscheiben war zum Greifen nah und zugleich so schrecklich weit entfernt, dass es wehtat. Sosehr sie ihre Kräfte immer geschätzt und sich in der Gemeinschaft geborgen gefühlt hatte, so sehr verfluchte sie die Gabe jetzt, deren Ausmaß sie zu einem Versuchskaninchen gemacht hatte. Einem, das nun zum Abschuss freigegeben war. Was konnte der Maskierte sonst sein, wenn nicht ein Killer, der im Namen der Gemeinschaft dafür sorgen sollte, dass das Projekt in der Öffentlichkeit keine Spuren hinterließ? Alle Beweise zu vernichten, war der sicherste Weg, das zu gewährleisten. Das ist aus mir geworden. Erst war ich eine Laborratte und jetzt bin ich ein unliebsames Beweisstück, das man ausradieren muss. Die Erkenntnis trieb ihr die Tränen in die Augen, die sie nur mühsam zurückblinzeln konnte.
Als sich ihre Sicht wieder klärte, sah sie, dass Logan eine Kreuzung verpasst hatte, die sie in Richtung ihrer Wohnung führte. »Du hättest da hinten links abbiegen müssen.«
»Ich weiß«, nickte er. »Mir ist nur gerade eingefallen, dass ich bei einem Kollegen ein paar Unterlagen abholen muss. Es ist bloß ein kleiner Umweg. Das macht dir doch hoffentlich nichts aus.«
Es wäre ihr zwar lieber gewesen, wenn er sie zuerst abgesetzt hätte, doch sie wollte sich auch nicht beschweren. Immerhin hatte er freiwillig angeboten, sie nach Hause zu fahren, ganz davon abgesehen, dass er ihr das Leben gerettet hatte. »Nein, das ist schon in Ordnung.«
Sie ging wieder dazu über, die Stadt zu beobachten, die draußen an ihr vorbeizog. Hohe Mietshäuser wurden von einem
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