Die Daemonenseherin
Freunde wiedersehen können und … Nein, nicht all ihre Freunde, denn der Preis für diese Freiheit war ihre beste Freundin.
Konnte sie Alessa das antun?
Ohne sie wäre es ihnen niemals gelungen, aus dem Labor zu fliehen. Die Versuche wären weitergegangen, hätten den Dämon genährt und wachsen lassen, bis er sie von innen heraus zerrissen hätte.
Sie verdankte Alessa ihr Leben.
»Nun, was meinen Sie, Miss Hensleigh?«
»Ich meine«, stieß Susannah zwischen zusammengepressten Lippen hervor, »dass Sie mich jetzt besser zurückbringen lassen – es sei denn, Sie wollen noch irgendwelche Tests vornehmen.«
Doktor Burke seufzte. »Das darf ich dann wohl als ein Nein auffassen.«
Eine knappe Kopfbewegung der Ärztin brachte die Weißkittel dazu, sich in Bewegung zu setzen. Einer von ihnen packte Susannah und zog sie auf die Beine, der andere öffnete die Tür.
»Miss Hensleigh«, rief Doktor Burke ihr nach, ehe sie auf den Gang traten. »Denken Sie noch einmal in Ruhe über mein Angebot nach.«
Dann führten die Männer sie aus dem Büro und die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.
Für Susannah gab es nichts, worüber sie noch nachzudenken brauchte. Sie wusste, welchen Weg sie gehen musste, um nicht länger im künstlichen Schlaf dahinvegetieren zu müssen. Unendlich behutsam senkte sie die Schilde, die ihre Kräfte und den Dämon vor ihrem Bewusstsein abschotteten. Ihr Blick richtete sich auf die Sauerstoffflaschen.
17
E he Logan Alessa zu sich nach Hause brachte, machten sie einen Abstecher in ihre Wohnung, um ihre Sachen zu holen. Seine Sorge, Alessas Vermieter könne den Überfall inzwischen bemerkt und die Polizei gerufen haben, erwies sich zum Glück als unbegründet. Die Tür war weder mit Absperrband verklebt noch deutete sonst etwas auf die Anwesenheit der Polizei hin. Logan betrat das Apartment mit gezogener Waffe, Alessa dicht bei sich haltend und bereit, sie jederzeit in Deckung zu stoßen. Zu seiner Erleichterung war das gar nicht nötig. Das Einzige, das an den Maskierten erinnerte, waren die Blutspuren im Gang und Alessas hektischer Blick, mit dem sie jeden Winkel des Zimmers zu erfassen versuchte. Gleichzeitig vergrub sie die Hände in den Jackentaschen, als wolle sie sich darin verkriechen.
Ihre Reisetasche in der einen Hand, die Waffe, die er beim Verlassen des Hauses unter seiner Jacke verbarg, in der anderen kehrten sie zu seinem Wagen zurück.
Als sie kurz darauf vor seinem Haus ausstiegen, nahm Logan ihre Tasche und führte Alessa die Treppen nach oben. Im Dachgeschoss wartete Morgan bereits vor der Tür. Seine Krawatte und sein Sakko saßen wie immer korrekt, und die beiden Pizzakartons in seiner Hand wirkten so fehl am Platz wie ein Rugbyspieler auf einer Dinnerparty. Als er Logan sah, hellte sich seine Miene auf, dann bemerkte er Alessa und zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. Morgans Reaktion erstaunte Logan nicht sonderlich. Es kam nicht gerade häufig vor, dass er sich in Gesellschaft einer Frau blicken ließ. Natürlich hatte er all die Jahre nicht enthaltsam gelebt, in seine Wohnung hatte er jedoch nur selten jemanden mitgebracht.
Vor der Tür angelangt warf er einen Blick auf Morgan. Er würde nicht darum herumkommen, ihn in alles einzuweihen. Der Bulle war der Einzige, dem er außerhalb seiner Spezialeinheit vertraute, und wenn er sich die Akte angesehen hatte, kannte er Alessas Gesicht ohnehin. Die Wahrheit würde so oder so ans Licht kommen, da war es besser, wenn er sie von Logan selbst erfuhr.
Morgan hatte ihm schon mehr als nur einmal aus der Patsche geholfen und ihn dabei noch nie enttäuscht. Wenn Logan ihn darum bat, Stillschweigen zu bewahren, würde er das auch tun.
»Der feine Pinsel hier ist Morgan Cassidy«, sagte er an Alessa gewandt.
Sie nickte. »Wir sind uns bereits begegnet. Auf dem Polizeirevier.«
Daran hatte Logan gar nicht mehr gedacht. Morgan war es gewesen, der versucht hatte, ihr gegenüber seine falsche Identität als Polizist aufrechtzuerhalten, wenn auch mit mäßigem Erfolg.
»Allerdings haben Sie es damals vermieden, mir Ihren Namen zu verraten, und lieber die Flucht ergriffen«, grinste Morgan. »Vielleicht kommen wir heute ja weiter?«
Statt sofort zu antworten, sah sie zu Logan, als wolle sie sich versichern, ob sie dem Mann tatsächlich vertrauen konnte. Erst als er nickte, nannte sie ihm ihren Namen.
»Nachdem das nun geklärt wäre, könnten wir eigentlich reingehen, ehe die Pizzen vollkommen kalt sind. Mach schon,
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