Die Daemonenseherin
der Royal Mile und davon, wie er gerade noch rechtzeitig dazugekommen war. »Und heute war er in ihrer Wohnung.«
»Ihm ist also nicht entgangen, dass sie sich im Schrank versteckt und ihn gesehen hat«, folgerte Morgan. »Und jetzt macht er Jagd auf sie.«
Logan seufzte. »Ich fürchte, das ist nicht der einzige Grund.«
Er berichtete, was er seit seiner ersten Begegnung mit Alessa herausgefunden hatte. An der Stelle, an der er davon erzählte, wie er Alessa zur Stadtgrenze gebracht hatte, um seinen Verdacht zu bestätigen, dass sie der Gemeinschaft angehörte, stieß Morgan einen erneuten Pfiff aus.
»Heute schaffst du es wirklich, mich zu erstaunen«, meinte er kopfschüttelnd. »Eine Seherin in deiner Wohnung. Deinem Schlafzimmer.«
Seine Miene war nicht mehr ganz so freundlich wie zu Anfang der Unterhaltung, und Logan wusste, dass es noch schlimmer werden würde.
»Morgan, vertraust du mir?«
»Ach du Scheiße, ist es so ernst?« Die Worte waren als Scherz gemeint, doch Logans Miene ließ den Bullen innehalten. »Es ist wirklich ernst. Raus mit der Sprache!«
Der Reihe nach erzählte er von Alessas verschwundener Freundin, von seinem Besuch am Tatort und davon, wie er heute Morgen – war es wirklich erst ein paar Stunden her?
– die Akte auf seinem Blackberry geöffnet hatte. »Sie ist eine von ihnen. Alessa steht auf der Liste.«
»Du machst Witze!«
Als Logan den Kopf schüttelte, sprang Morgan auf. Eine Weile marschierte er im Wohnzimmer auf und ab, blieb immer wieder stehen und war drauf und dran, etwas zu sagen, setzte dann jedoch seinen Weg durch das Zimmer schweigend fort. Schließlich fuhr er abrupt herum.
»Bist du vollkommen übergeschnappt?«, brüllte er. »Wie kannst du hier so ruhig sitzen mit einem Monster in deiner Wohnung – in deinem Schlafzimmer ! Ist das der Grund, warum sie hier ist? Damit du mit ihr ins Bett steigen kannst? Himmel, Drake! Ich hätte dir wirklich mehr Verstand zugetraut!«
Logan schüttelte den Kopf. »Sie brauchte Hilfe, deshalb ist sie hier. Glaub nicht, dass es mich kaltlässt, zu wissen, was sie ist. Ja, sie trägt einen Dämon in sich, aber sie ist auch ein Mensch. Sie hat nichts von dem verdient, was man ihr angetan hat! Ich habe mir geschworen ihr zu helfen, und das werde ich auch tun.«
Morgan funkelte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Sie ist eine tickende Bombe!«
»Ich werde dafür sorgen, dass das aufhört.« Jackie hatte ihm gesagt, dass der Dämon dicht unter ihrer Oberfläche schlummerte und kurz davor war, auszubrechen, doch Logan glaubte an Alessa. Er vertraute auf ihre Kraft und darauf, dass er das Schlimmste verhindern konnte. »Sie lebt seit mehr als drei Jahren mit der Kreatur, weit länger als es den anderen gelungen ist.« Er wollte den Leith Walk nicht erwähnen, auf dem Morgans Frau durch genau diese Dämonen ums Leben gekommen war. Morgans Verhalten ließ ohnehin keinen Zweifel daran, dass er jene Nacht noch immer deutlich vor Augen hatte. »Ich weiß nicht, wie sie es macht, aber ich glaube, sie hat einen Weg gefunden, den Dämon unter Kontrolle zu halten.«
Morgans Hand krampfte sich um die Stuhllehne, über der sein Mantel lag, und knüllte den Stoff zusammen. »Du bist mein Freund«, sagte er beherrscht. »Wenn du meine Hilfe brauchst, werde ich da sein. Aber erwarte nicht von mir, dass ich ihre Nähe ertrage.« Er nahm Mantel und Sakko und wollte das Wohnzimmer verlassen. Auf der Schwelle hielt er noch einmal inne. »Unterschätze die Kreatur in ihr nicht.«
Dann machte er kehrt und kurz darauf verkündete das Schlagen der Tür, dass er fort war.
Fluchend ließ sich Logan in die Polster fallen und schloss die Augen. Es würde nicht leicht werden, Morgan davon zu überzeugen, dass Alessa nicht das Monster war, sondern es nur in sich trug. Vermutlich würde er nicht mehr in ihre Nähe kommen, solange der Dämon existierte, doch immerhin würde er ihm helfen – wenn es nötig war.
Er lehnte den Kopf zurück und atmete tief durch. So schlecht war es gar nicht gelaufen. Sicher, Morgan hatte ein bisschen gebrüllt und sein Puls war ordentlich nach oben geschossen, doch immerhin hatte er ihm zugehört.
»Wie lange weißt du es schon?«
Logan fuhr hoch.
Alessa lehnte im Türstock. Sie hatte seinen Bademantel angezogen und den Gürtel verknotet, trotzdem klaffte der Stoff weit genug auf, um einen deutlichen Blick auf ihre Beine zu gestatten. Das Haar hing ihr in feuchten Locken ins Gesicht, und ihr Blick zuckte zwischen
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