Die Dame aus Potsdam
ob man sich dort an den Käufer erinnert. Dann muß allerdings die Krawatte mit.«
»Die kann man so, wie sie ist, keinem Menschen vor Augen halten; außerdem läßt sich vor lauter Blut kein Muster erkennen«, erklärte Ahrens.
Freiberg zeigte Ungeduld. »Dann soll die KTU das Ding schnellstens reinigen. Ich werde mich mal mit den Kollegen in Amsterdam in Verbindung setzen, ob die uns bei den nicht ganz offiziellen Recherchen unterstützen können. – Trotzdem müßte einer vom 1. K. hinfahren.«
Lupus sah auf. »Wer?«
»Fast hätte ich gesagt, ›Immer der, der so dumm fragt‹. Aber in diesem Fall ist Ahrens dafür schon der richtige Mann. Vor allem kann er Auto fahren, so daß mit seiner Rückkehr in absehbarer Zeit zu rechnen ist.«
»Der nächste Anruf kommt bestimmt«, murmelte Fräulein Kuhnert, als das Telefon sich bemerkbar machte. Der Geschäftsführer vom Hotel Topas meldete, daß der Gast von Zimmer 416 zurück sei. Ob man ihm nicht doch sagen solle, daß die Polizei eine Identitätsüberprüfung vorgenommen habe. Das Zimmermädchen werde bestimmt nicht lange schweigen.
»Wußt’ ich doch, daß die Zimmerkätzchen…« stellte Lupus grinsend fest.
Freiberg überließ die Entscheidung dem Geschäftsführer, dankte und legte schnell auf.
Um sich Mut zu machen, zitierte er – wie schon so oft – das Trostwort seiner Mutter: »Aller Anfang ist schwer!«
9
Die Mitglieder des »Distel-Clubs« trafen sich jede Woche in der zu einer Lounge umgebauten Halle des Großhandelsunternehmens Meierbeer GmbH. Pas Haus lag am nördlichen Stadtrand von Potsdam in einer eher schäbig wirkenden Umgebung am westlichen Ufer des Jungfernsees. Allen Mitgliedern war der Slogan »Dienstag ist Dienst-Tag« bekannt, und sie hielten sich daran. Die Lounge und zahlreiche Nebenräume wurden auch an anderen Tagen der Woche genutzt. Die Versorgung oblag einer Catering-GmbH, die von einem der Clubmitglieder gemanagt wurde. Zwölf Gästezimmer, die als Ein-, Zwei- oder Dreibettzimmer angeboten wurden, standen zur Verfügung. Die Ausstattung wirkte zwar etwas zusammengewürfelt, hatte aber ihren Wert.
Mehrmals im Monat hielten Fachleute und interessierte. Laien Vorträge zu Themen der Gegenwartskunst und der Zeitgeschichte. Es wurden aber auch Fragen der aktuellen Wirtschaftspolitik behandelt. Die einzelnen Sektionen konnten ihre Aktivitäten an den übrigen Tagen selbst bestimmen. Für kleinere Arbeitsgruppen standen Konferenz- und Besprechungsräume zur Verfügung.
Obwohl der Distel-Club sich gleich nach der deutschen Vereinigung konstituiert hatte, war er nur einigen Berlinern und den Potsdamer Bürgern so gut wie gar nicht bekannt; aber die wenigen Kenner wußten ihn zu schätzen. Den Förderkreis des von öffentlichen Mitteln unabhängigen Clubs bildeten zahlreiche Handels- und Gewerbeunternehmen, die zumeist als Gesellschaften mit beschränkter Haftung geführt wurden. Auch ein paar Einzelpersonen zahlten recht ansehnliche Mitgliedsbeiträge.
Die Geschäftsbereiche der Firmen lasen sich wie die gelben Seiten im Branchenverzeichnis: Anlagenbau, Funkbetriebsberatung, wissenschaftliche Geräte, Sicherungsanlagen, Betriebsausrüstung, Fuhrunternehmen, Spezialtransporte, Meß- und Regeltechnik und einiges mehr.
Dieser Kreis, dem Männer wie Frauen angehörten, verstand es, seine wirtschaftliche Macht diskret zu handhaben.
Während Handwerksbetriebe und Kleinunternehmen von der Ostsee bis zum Erzgebirge durchweg über zu geringe Eigenmittel verfügten, ließ die Kapitalausstattung der Clubfirmen keine Wünsche offen. Die erste Übergangsregierung der DDR hatte dafür gesorgt, daß öffentliche Mittel reichlich vorhanden waren, um den Schritt von der Kommandowirtschaft in die Privatwirtschaft zu erleichtern. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte für längere Zeit nach der Wende über zahlreiche Töpfe verfügt, aus denen großzügig geschöpft werden konnte. Auch Sachmittel wie Büroeinrichtungen, Fahrzeuge und ähnliches hatten für einen Spottpreis ihre Besitzer gewechselt.
Im Haus des Distel-Clubs wurden Begriffe wie Seilschaften, Kameradschaft, Beziehungen, aber auch die alten Dienstgradbezeichnungen gemieden. In Anlehnung an den Wortschatz der Briten aus ihrer Kolonialzeit, der von den Obristen in Übersee geprägt worden war, sprach man schon mal schmunzelnd vom Colonels-Club. Hier war es im allgemeinen keine Empfehlung, nur in der SED gewesen zu sein; es mußte schon ein Dienstgrad beim MfS
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