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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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nicht! – Moralapostel sind wir nicht, außerdem braucht Valentin für seine Geschäfte einen klaren Kopf. Um seine Ehe mit Beate war es sowieso nie zum besten bestellt. – Haben Sie später noch einmal versucht, mit Kalisch Kontakt aufzunehmen?«
    »Nein. Am Sonntag hatte ich stundenlange Gespräche mit meinem Produzenten, und am Abend gab er einen Empfang, der sich bis weit in die Nacht ausgedehnt hat. Montagmorgen bin ich mit der Bahn zurückgefahren.«
    »Gut, soweit ist alles klar. Kollege Hartenstein, versuchen Sie bitte, über die Munskaus in Bonn herauszufinden, was zwischen Kalisch und Beate Randolf läuft. Informiert sein ist zwar nicht alles, aber in unserem Geschäft ein solides Fundament, auf das man bauen kann. Und jetzt werden wir mit unseren Freunden nebenan noch kräftig einen heben.«
    Als Hartenstein voranging, legte Persmann seinen Arm um Silkes Hüfte und drückte sie an sich. »Bleibst du über Nacht im Club?«
    Die Antwort machte deutlich, daß sie sich in der Werbebranche schon gut eingearbeitet hatte. Ihr fröhliches »Yes, of course« klang viel angenehmer als das frühere »Selbstverständlich, Genosse General«.
    In diesem Augenblick drehte Hartenstein sich noch einmal um und lächelte verlegen. »Ach, Herr Kollege Persmann, es gibt da ein paar andere Punkte, die ich Ihnen gern noch vortragen möchte.«
    »Dann am besten sofort«, sagte der Kurator. »Frau Marino, gehen Sie nur schon zu den Kollegen, und bestellen Sie uns was zu trinken.«

 
    10
     
     
     
    Der Besuch, den »Don Carlos« Noack am Mittwoch morgen zu machen hatte, war eine heikle Mission. Um in der Waffensache weiterzukommen, mußte er mit einem Mann Kontakt aufnehmen, der eine Vergangenheit hatte, an die er bestimmt nicht gern erinnert werden wollte. Inzwischen hatten sich allerdings die Gemüter etwas beruhigt, und die Verhältnisse waren so stabilisiert, daß man einigen Leuten schon mal ein paar Fragen stellen konnte, ohne damit gleich aufzulaufen. Wenn zur Zeit der noch existierenden DDR Waffen verschwunden waren, dann hatte sich bei Angehörigen des MfS die Hauptabteilung Kader und Schulung – die gefürchtete KuSch – damit befaßt. Die früheren Mitarbeiter waren zwar jetzt in alle Winde Verstreut, aber Hans Noack hatte vor einigen Jahren im Ermittlungsdienst mit einem sehr umsichtigen Major des MfS zu tun gehabt, der Disziplinarfälle bearbeitete, in denen Waffen eine Rolle spielten. Dabei war es recht hilfreich gewesen, daß sie einige Jahre zusammen die Schulbank gedrückt hatten.
    Dieser Major a. D. Glinke war, wie viele andere seines Fachs, nach der Wende in einer GmbH untergeschlüpft. Diese Unternehmensform war geradezu typisch für die neuen Bundesländer. Das Unternehmen verkaufte und installierte Gebäudesicherungsanlagen und verfügte in der Feuerbachstraße in Potsdam über eine gute Geschäftsadresse. Ein paar hundert Meter weiter, und man gelangte bei der Meierei, in der Nähe der Römischen Bäder, in den Park von Sanssouci.
    Noack hatte seinen Privatwagen, einen VW Passat, in einer Nebenstraße abgestellt und war zu Fuß zum Geschäftslokal gegangen. Das Haus war tipptopp renoviert, und das Firmenschild neben der Eingangstür wirkte nicht einmal störend. Wenn alle Häuser in Potsdam so aussähen, dachte er, würde der Anblick der Stadt wieder Freude bereiten.
    Die Sekretärin im schlichten Eingangsbüro ließ nicht erkennen, ob sie wußte, wer der Kunde war, der mit Herrn Glinke persönlich sprechen wollte. Aber es gehörte zur Geschäftspraxis, ohne zu fragen auf solche Wünsche einzugehen. Sie kam schon nach wenigen Sekunden aus dem anschließenden Zimmer zurück. »Bitte durch diese Tür! Herr Glinke wird sich gern Ihres Anliegens annehmen.«
    Gleich darauf standen sich die beiden Männer gegenüber, deren Lebenswege nach der gemeinsamen Schulzeit weit auseinandergelaufen waren. Der eine hatte Rechtswissenschaft studiert und beim Ministerium für Staatssicherheit Karriere gemacht; der andere war zur Polizei gegangen, ohne dort allerdings zu reüssieren, da sein »gesellschaftliches Bewußtsein« unzulänglich entwickelt war, wie man in der Personalakte lesen konnte. Inzwischen hatte sich gezeigt, daß dieses Bewußtsein doch wohl das richtige gewesen war.
    Glinke sah immer noch so aus wie ein überarbeiteter Student im höheren Semester. Die hellgrauen Augen boten keinen Kontrast zum mittelblonden Haar und der blassen Gesichtshaut. Er wirkte etwas verloren auf seinem Drehstuhl hinter dem

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