Die Dame aus Potsdam
sind. Sie hat ihr Zimmer erst am Montag aufgegeben – jedenfalls hat mir das der Kollege Freiberg am Telefon gesagt. Aber in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, als ich sie aufsuchen wollte, waren weder sie noch Silke Marino zu Hause.«
»Nun«, sagte Noack langsam und bedächtig, »damit wird sich die MUK befassen müssen. Ich versuche schnellstens zu klären, ob es die Disziplinarakte Randolf noch gibt. Es wäre ja ein tolles Stück, wenn die Nummer der vor Jahren gestohlenen Waffe mit der Tatwaffe in Bonn identisch sein sollte.«
»Wir haben doch das Foto des Toten; ob ich es mal Frau Randolf zeige? Vielleicht kennt die Dame das Opfer.«
Noack hob die Hand. »Attención! – Unser Vorgehen muß sorgfältig überlegt sein. Sonst geht es uns wie so oft, wenn wir auf Spuren der Vergangenheit stoßen: Klappe zu – Ende der Ermittlungen! Aber Sie haben recht, ansetzen müssen wir bei ihr. Nehmen Sie mit der Frau Kontakt auf, aber ohne daß ihr Mann das merkt.«
»Ich könnte mich ja mal in der Nachbarschaft umhören.«
»Keine so gute Idee. Das zieht in der Umgebung sofort Kreise. Besser, Sie sprechen erst einmal vorsichtig mit dieser – wie ist doch der Vorname?«
»Beate.«
»Gut… also mit Beate Randolf. Danach werden wir weitersehen. Und vergessen Sie nicht, sich mit den Bonnern abzustimmen; schließlich ist das deren Fall.«
11
Die Starke ließ ihren Trabi vor der Villa Editha am Griebnitzsee ausrollen. Wohl niemand hätte in der jungen Frau in Jeans und weitgeschnittener Jacke die Leiterin der Morduntersuchungskommission im Einsatz vermutet.
Der alte Baumbestand in dem großen Garten gab dem Haus etwas Zeitloses. Das schmiedeeiserne Gitter war generalüberholt, die Fassade des Gebäudes geputzt und gestrichen. Auch die eingebauten Isolierglasfenster ließen darauf schließen, daß die finanziellen Verhältnisse der Besitzer nicht ganz schlecht sein konnten.
Die Kommissarin trug einen Diplomatenkoffer, in dem mehrere Fachzeitschriften steckten. Sollte Valentin Randolf zu Hause sein, würde sie ihm die Zeitschriften als Werbeexemplare überlassen und einen späteren Besuch in Aussicht stellen. Sie wollte unbedingt mit der Ehefrau allein sprechen. Auch nach mehrmaligem Klingeln blieb alles still. Angelika Lette wartete ein paar Minuten, legte den Koffer wieder auf den Rücksitz des Trabis und ging die Straße hinunter, um einen Eindruck von der Umgebung zu gewinnen. Drei Häuser weiter lief ein schmaler Pfad zwischen den Gärten hindurch zum Griebnitzsee. Von der am Ufer entlangführenden Betonstraße der ehemaligen Grenztruppen ließ sich die Villa Editha und das zum See abfallende Gartengelände überblicken. Auch hier war der hohe Zaun gut erhalten. In solchen Häusern unmittelbar an der Staatsgrenze der ehemaligen DDR – das wußte nicht nur die Polizei in Potsdam – wohnten früher nur Funktionäre und Kader, auf die Verlaß war. Inzwischen hatten allerdings zahlreiche Häuser den Besitzer gewechselt. Aber die Rückerstattungsfälle waren noch längst nicht abgeschlossen und sorgten in Neu-Babelsberg für Unruhe.
Als die Kommissarin nach einem halbstündigen Fußmarsch zu ihrem Trabi ging, hielt vor dem Eingang der Randolfs ein Taxi. Eine dunkelhaarige Frau, Mitte dreißig, ließ sich vom Fahrer die Reisetasche geben, zahlte und ging ins Haus.
Die Starke wartete noch zehn Minuten, schob das nur angelehnte Gittertor auf und drückte auf die Klingel neben der Haustür.
Die Frau öffnete und sah durch den Türspalt, den die eingehängte Sicherheitskette freigab.
Hauptkommissarin Lette versuchte nicht, sich als Privatperson auszugeben, denn dann wäre ihr die Tür mit Sicherheit vor der Nase zugeschlagen worden. Sie hielt ihren Dienstausweis hoch: »Guten Tag, Frau Randolf – Kriminalpolizei. Würden Sie mir ein paar Fragen beantworten?«
Beate Randolf klinkte die Kette aus und öffnete. »Bitte, treten Sie ein.« Sie ging in den großen Wohnraum voran, in dem noch die ungeöffnete Reisetasche stand. Mit dem Anflug eines verkrampft wirkenden Lächelns fragte sie: »Womit habe ich Ihren Besuch verdient – oder muß ich sagen: herausgefordert?«
Die Starke gab sich locker. »Ich habe nur ein paar Fragen. Es geht um eine uralte Geschichte, bei der mir Ihr Mann vielleicht einen Tip geben könnte.«
»Der ist leider unterwegs. Seine ›Special-Transports‹ laufen rund um die Uhr. Ich sehe Valentin kaum.« Beate Randolf öffnete eine auf dem Tisch stehende Zigarettendose.
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