Die Dame aus Potsdam
zeugte von der Endlichkeit des Lebens.
»Dann können wir jetzt gehen«, sagte Freiberg. »Wäre es Ihnen recht, Frau Randolf, wenn wir Sie zum Hotel Drexler in der Lennestraße bringen? Vorbehaltlich Ihrer Entscheidung ist dort ein Zimmer reserviert. Das Haus liegt zentral.«
»Ja, das ist mir recht.«
»Darf ich Sie bitten, morgen früh um neun Uhr im Polizeipräsidium zu sein? Die Formalitäten müssen noch erledigt werden.«
»Selbstverständlich.«
»Dann wird mein Mitarbeiter Ahrens Sie um viertel vor neun mit dem Wagen abholen. Wenn Sie Wünsche haben, stehen wir gern zur Verfügung. Hier bitte, meine Karte.«
»Was sollte ich für Wünsche haben? Zur Ablenkung werde ich später vielleicht ein wenig durch die Stadt bummeln – oder steht dem etwas im Wege?«
Freiberg nahm aus den Augenwinkeln eine Handbewegung seiner Potsdamer Kollegin wahr, die auf dem Beifahrersitz saß, doch er sagte freundlich: »Nein, ganz und gar nicht.«
Der Wagen stoppte, und kaum eine Minute später war Beate Randolf im Hotel verschwunden, ohne sich noch einmal umzusehen. Den Reisekoffer hatte sie selbst getragen.
»Na, wenn das nur gutgeht«, sagte die Kommissarin nachdenklich. »Ganz wohl ist mir bei dem Gedanken nicht, daß die trauernde Witwe hier unbeobachtet umherstreift.«
Freiberg wandte sich ihr zu. »Ich kenne Ihre Sorgen. Als Sie noch in der Luft schwebten, kam ein Anruf von Ihrem Gruppenleiter, daß sich Frau Randolf vor dem Abflug mit Silke Marino getroffen hat. Er meint, daß es da Verknüpfungen geben könne, denen wir unbedingt nachgehen sollten.«
»Und?«
»Genau das geschieht, Madame. Hauptmeister Ahrens, ein cleverer Junge aus meinem Stall, wird die Randolf außerhalb des Hotels keine Sekunde aus den Augen lassen. Er gibt einen prächtigen Studenten ab und steht gegenüber in der Nassestraße. Dort in der Nähe der Mensa herrscht ein ständiges Kommen und Gehen.«
Die Kommissarin lehnte sich erleichtert zurück. »So ganz ohne sind Sie wohl auch nicht, Herr Kollege. Operatives Vorgehen hätte man früher bei uns im Jargon des MfS gesagt. Dann kann ich mein Haupt ja bald zur Ruhe legen – aber wo?«
Freiberg bog am Fernmeldeamt links ab. »Ihr Quartier ist im Gästezimmer unserer Hundertschaft im Präsidium. Aber erst einmal sind Sie in die Rittershausstraße eingeladen. Sabine hat für Brot, Aufschnitt und Salat gesorgt.«
»Sabine ist Ihre Frau?«
»Jein – hier heißt so etwas Lebensgefährtin. Gibt’s diesen hölzernen Begriff bei Ihnen auch?«
»Den gibt’s schon, aber Freundin oder, wenn es ernster wird, Verlobte ist gebräuchlicher. Die Einladung zum Essen nehme ich gern an.«
»Wenn’s recht ist, fahren wir beim Hotel Topas vorbei, damit Sie wissen, wo sich der Bonn-Zirkel am Wochenende aufgehalten hat.«
Freiberg mußte an den Bahnschranken einige Zeit warten, dann fuhr er über die Prinz-Albert-Straße zur Poppelsdorfer Allee. »Rechts liegt das Stadtschloß und die City«, erklärte er, »links am Ende der Allee das Poppelsdorfer Schloß, und hier haben wir das Hotel Topas.«
»Oh – scheint ein teurer Schuppen zu sein. Und so etwas kann sich unser Zirkel leisten?«
»Den Aufenthalt einschließlich Theaterbesuch und Rheindampferfahrt hat ein Verlag gesponsert. Die dranhängenden Extras natürlich nicht.«
Der Tag ging schon langsam in die Nacht über; Scheinwerferlicht hob das Lustschloß der Kurfürsten von der dunklen Umgebung ab.
»Das erinnert mich an Potsdam«, stellte die Kommissarin fest.
»Die Geschmäcker der damals Mächtigen lagen ziemlich dicht beieinander. Vor allem gab es keine Rechnungshöfe, vor denen die fürstlichen Hoheiten Angst haben mußten. Unsere Stadt- und Staatsbauten sind dagegen eine Zumutung für empfindsame Demokraten.« Freiberg fuhr im weiten Bogen auf den Bonner Talweg zurück. »Morgen oder übermorgen werden wir am Stadthaus vorbeifahren; dann machen Sie am besten die Augen zu.«
»So schlimm wird’s schon nicht sein. Sie kennen Berlins Normannenstraße nicht, das Stasi-Hauptquartier a. D. Entsetzlich! Daneben ist die ehemalige Stalinallee, jetzt Frankfurter, ein städtebauliches Kleinod.«
Freiberg fand schnell einen Parkplatz vor seiner Haustür. »Da unten, hinter den Gittern, wohne ich, aber nur noch ein paar Wochen. Sabine und ich haben per Zufall eine schöne Wohnung in der Nähe des Präsidiums aufgetan.«
Freiberg ging durch den Vorgarten voran. Angelika Lette ließ nicht zu, daß er ihre Reisetasche trug. Sabine hätte die
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