Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
Vom Netzwerk:
Schritte auf den Steinplatten hören müssen; doch sie öffnete nicht. Auf dem Wandtisch im Vorraum lag ein Zettel: »Bin rüber zu Gissy – Probleme mit ihrem Computerfreak. Das Essen ist gerichtet. Fangt nur schon an – komme schnell zurück.«
    »Ehrlich gesagt«, meinte der Gast aus Potsdam, »die Wohnung eines Kriminalhauptkommissars im goldenen Westen hatte ich mir pompöser vorgestellt. Aber auch das gefällt mir gut. – Nur die Gitter vor den Fenstern…«
    »Die mag Sabine auch nicht. Das ist mit ein Grund, warum sie ihre Wohnung nicht aufgeben wollte.«
    »Nach der Reise und dem Anblick im Institut müßte ich dringend duschen – läßt sich das machen?«
    »Aber klar – dort drüben rechts ist das Badezimmer.«
    Angelika Lette hatte es eilig, den Eindruck der Leichenschau mit viel Wasser abzuspülen. Freiberg wusch sich Gesicht und Hände im Waschbecken der kleinen Küche.
    Nach einigen Minuten rief Angelika: »Hier ist kein Badetuch – können Sie mir eins bringen?«
    »Kömmt – Moment bitte.«
    Walter Freiberg stellte fest, daß Sabine im Wandschrank für Ordnung gesorgt hatte. Er fand schnell, was er suchte, und klopfte an die Badezimmertür. Von drinnen tönte es: »Nur herein!«
    In der Annahme, daß Angelika Lette in der Duschkabine stand, trat er ein. Ein lautes »Oha!« konnte er nicht zurückhalten, als die Kollegin splitterfasernackt vor ihm stand. So etwas Kräftiges hatte er seit Jahren nicht mehr live gesehen. Sie war nicht dick, aber ihr Körper wirkte athletischstramm und durchtrainiert. Ob sie glaubte, diese Demonstration der neuen Freiheit schuldig zu sein – oder war sie wirklich so selbstverständlich locker?
    Angelika lachte. »Jetzt hat die Ossi einen Wessi aber ziemlich erschreckt. Ich dachte immer, daß die Modelle hüben wie drüben ähnlich sind. Aber wenn Sie mich schon nicht abtrocknen wollen, geben Sie mir das Handtuch her. Mein Spitzname ist übrigens die Starke – jetzt wissen Sie, warum.«
    »Umdrehen!« befahl Freiberg mutig. Dann rieb er ihr den Rücken trocken. »O. k. – für die Vorderseite bin ich wohl nicht mehr zuständig.« Damit legte er ihr das Tuch über die Schulter, gab ihr einen Klaps auf den Po und ging in die Pantry.
    Angelika Lette war noch im Bad, als Sabine zur Tür hereinkam. Sie wunderte sich, daß ihr Waldi sie stürmisch in die Arme nahm und sie so leidenschaftlich küßte, wie es sonst geschah, wenn es Zeit wurde, ein paar Kleidungsstücke abzulegen.
    »Sachte! – Wo ist denn unser Besuch?«
    Walter zeigte zum Bad. »Reisestaub und Institutseindrücke abwaschen.«
    Kurz darauf konnten sich beide Frauen begrüßen. Auch wenn sie ungefähr im gleichen Alter sein mochten, vom äußeren Erscheinungsbild waren sie grundverschieden.
    »Danke für die Einladung zum Abendessen«, sagte Angelika Lette, »und für das Duschbad. – Frische Handtücher nibbeln so schön.«
    Sabine erinnerte sich, daß sie vergessen hatte, ein Badetuch herauszulegen. Sie sah ihren Commissarius an und lächelte.
    Beim Essen drehte sich das Gespräch um den Toten vom Bismarckturm. Da halfen auch gelegentliche Beteuerungen nicht, daß eine so makabre Geschichte eigentlich kein Thema bei Aufschnitt und frischem Salat sein dürfe.
    »Habe ich das richtig verstanden«, fragte Sabine, »daß dem Opfer vor Jahren eine Makarow gestohlen wurde und daß meine lieben Kriminalisten sich jetzt fragen, ob der Herr vom Bismarckturm mit eben dieser Waffe umgebracht worden ist?«
    »Diese Frage können wir leider nicht beantworten, weil wir von der gestohlenen Waffe keine Seriennummer haben, um sie mit der Tatwaffe vergleichen zu können. Und an diese heranzukommen, ist kaum möglich. Vielleicht ginge es über die alten Disziplinarakten – aber das dauert Wochen. Mein Chef wird sich jedenfalls darum bemühen«, erläuterte Kommissarin Lette.
    »So ein Fakt würde uns enorm weiterbringen«, stellte Freiberg fest im Bemühen, für die Kollegin den treffenden Begriff zu verwenden.
    Doch Angelika Lette zuckte sichtlich zusammen. »Fakt klingt in meinen Ohren wie frisch vom Politbüro. ›Das ist der Fakt!‹ so tönte es bei jeder Gelegenheit, wenn eine Sache im real krepierenden Sozialismus als feststehend galt.«
    Freiberg nickte. »Also wird der Begriff eliminiert. – Darf es noch etwas Rotwein sein?«
    Angelika Lette lächelte zustimmend. Sabine hielt kurz die Hand über ihr Glas und meinte: »Der sanfte Rote von der Ahr hat’s in sich.«
    Walter Freiberg stieß mit der Kollegin an.

Weitere Kostenlose Bücher