Die Dame aus Potsdam
ganzen Strecke das durchaus zutreffende Gefühl, gegen die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung zu verstoßen.
Im Dienstgebäude der Henning-von-Tresckow-Straße stürmte sie mit einem flüchtigen Gruß an der Eingangskontrolle vorbei direkt in die Einsatzleitstelle. Der Beamte vom Dienst sah verdutzt auf. »Nanu?«
»Kollege Schulz, bitte sofort einen Streifenwagen in die Nähe der Villa Editha am Griebnitzsee, verdeckte Observation! Ich muß wissen, ob Frau Randolf das Haus verläßt, wohin sie geht und was sie tut. Also dran bleiben. – Sie hat langes schwarzes Haar, ist groß und etwa fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt; trägt möglicherweise ein grau-braunes Kostüm.«
Nur Sekunden später ging vom Funktisch der Einsatzbefehl an Puma 19 heraus. Der Wagen stand am Schloß Babelsberg und war in fünf Minuten vor Ort.
Die Kommissarin hörte noch die Bestätigung vom Streifenwagen; dann lief sie mit langen Schritten die Treppe zum zweiten Stock hinauf, um dem Leiter Einsatz und Ermittlungen zu berichten.
Der Chef legte großen Wert darauf, von seinen Mitarbeitern schnell und umfassend informiert zu werden; aber er mochte keine Hektik. Der Polizeiapparat hatte zu funktionieren, ohne zu quietschen.
Hauptkommissarin Lette verlangsamte ihre Schritte, bevor sie das Zimmer der Sekretärin betrat und um ein Gespräch mit dem »Leiter« bat. Es sei dringend.
Er ließ sie nicht warten. »Nun, Frau Lette, so eilig? Haben Sie schon Erkenntnisse in der Bonner Sache? Aber auch wenn die Angelegenheit dringend ist, wegen der Waffe brauchen wir einen langen Atem. Vor zwei bis drei Wochen ist eine Antwort aus der Normannenstraße nicht zu erwarten. Außerdem ist es sehr zweifelhaft, ob sich noch Akten der Disziplinarvorgänge im Archiv befinden. Also Geduld. Setzen wir uns erst einmal.«
Die veloursbespannten Sessel rochen neu; die alten Plaste-Ungetüme hatten im Bereitschaftsraum ihre Verwendung gefunden.
»Herr Polizeidirektor«, sagte die Hauptkommissarin förmlich, »der Tote in Bonn ist identifiziert.«
Im »Nanu!« lagen Anerkennung und Neugier.
»Ich habe Frau Randolf aufgesucht und ihr im Laufe des Gesprächs das Foto gezeigt; es handelt sich um ihren Mann Valentin. Frau Randolf zeigte sich überrascht, verlor aber nicht die Beherrschung. Sie vermutete ihren Mann geschäftlich in den Niederlanden, wo er Elektronikfracht übernehmen wollte.«
Bender schlug mit der Hand auf die Sessellehne. »Da sind wir ja schon ein gutes Stück weiter. Aber was hatte der Mann in Bonn zu suchen?«
»Frau Randolf hatte davon keine Ahnung – behauptet sie. Die Dame gab sich sehr wenig informiert, was die beruflichen Belange ihres Mannes angeht – für mein Empfinden zu wenig. Ich habe vorsichtshalber eine verdeckte Observation angeordnet. Puma 19 hält sich in der Nähe der Villa auf.«
»Richtig, Noack soll den Kollegen Freiberg anrufen – und Sie fahren – nein fliegen – mit der nächsten Maschine nach Bonn. Um Ermächtigung zu gemeinsamen Ermittlungen und Abstimmung mit dem LKA werde ich mich kümmern. Ihre Dienstreise ist genehmigt.«
»Frau Randolf wird ihren Mann identifizieren müssen.«
»Natürlich. Sie fliegt mit. Veranlassen Sie in Abstimmung mit Freiberg alles Notwendige.«
»Und die Kosten?«
»Müssen die Bonner tragen, wer denn sonst? Wir treten nur in Vorlage.« Bender lächelte. »Die Altländer haben mehr Geld als das arme Brandenburg.«
Die Sekretärin klopfte an die Tür und schob sie einen Spalt auf. Der Polizeidirektor sah mißbilligend hoch. Unterbrechung schätzte er nicht. »Was ist?«
»Dringender Anruf von der Leitstelle für Frau Kommissarin.«
»Schalten Sie durch. Bitte, Frau Lette, übernehmen Sie; bei Knopfdruck oben rechts kann ich mithören.«
»Ja, Hauptkommissarin Lette – ich höre.«
»Hier Puma 19, Obermeister Punitz. – Die observierte Person ist mit einem gelben Lada zum Appartementgebäude in der Rosenstraße 416a gefahren und hat das Haus betreten. Wir wissen nicht, wen sie aufsucht. Ermittlungen in Uniform wären jetzt zu auffällig.«
Die Kommissarin nickte zufrieden. »Danke! – Feststellung der Mieter ist nicht erforderlich; wird von hier aus erledigt. Bitte weiter beobachten, aber nicht in Erscheinung treten. Ende.«
»Na, Sie halten’s ja knapp. Bis wir über das Einwohnermeldeamt an die Namen der Mieter herankommen, ist viel Zeit verloren.«
»Da brauchen wir nicht anzufragen. Ich weiß, zu wem Frau Randolf gegangen ist – zu Silke Marino, dem
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