Die Dame aus Potsdam
Sabine hatte den Eindruck, daß die beiden ziemlich schnell zu Komplizen wurden. Nach der Mousse-au-chocolat wurde auch schon das allgemeine Du mit Umarmung und Küßchen besiegelt.
Als Angelika kurz vor Mitternacht zum Aufbruch drängte, war Walter Freiberg sofort mit dem Angebot bei der Hand, den Gast aus Potsdam zum Präsidium zu fahren.
Sabine winkte energisch ab. »Mein Waldi hat zu viele Promille geschlabbert. Jetzt fährt seine studentische Hilfskraft.«
»Was denn, ihr wollt meinetwegen extra noch jemanden kommen lassen?« fragte Angelika. »Bestellt mir doch ein Taxi.«
Freiberg lachte schallend und zeigte mit dem Finger auf Sabine. »Studentische Hilfskraft – das ist sie: Lebensgefährtin und hochverehrte Frau Doktor phil. wissenschaftliche Rätin an der Universitätsbibliothek Bonn.«
»Im Ernst? Ja, wo bin ich denn hier hingeraten?« tat Angelika Lette erstaunt.
»Euch beiden Polizeimenschen ist doch wohl klar, daß ich fahre«, sagte Sabine unbeeindruckt. »Auch wenn der Promillegehalt nicht das Problem ist; ich werde meinen Waldi nicht der Gefahr aussetzen, gegen irgendwelche Verkehrsregeln zu verstoßen.«
»Damit ist ja alles klar! Wann beginnt der Dienst?« fragte Angelika.
»Für unseren Gast um acht Uhr, Zimmer 306; die Mannschaft ist schon früher vor Ort.«
Auf der Fahrt zum Präsidium lächelte Sabine still vor sich hin. Ihr Commissarius lief nicht Gefahr, der Ausstrahlung der Starken schon am ersten Abend zu erliegen. Wieder hinter Gittern würde er sich gewiß darauf besinnen, daß man sich den Appetit überall holen darf, daß aber zu Hause gegessen wird.
Nach der Rückkehr wurde diese Volksweisheit umgehend und ausgiebig bestätigt, und Sabine genoß den Triumph, ihren Waldi am anderen Morgen satt und zufrieden in den dienstlichen Alltag entlassen zu können.
13
Im Zimmer 306 des Polizeipräsidiums begann die tägliche’ Routine. Der blonde Ahrens half seiner Octopussy, wie Lupus Fräulein Kuhnert frei nach James Bond nannte, beim »Morgengebet«. Sie schenkte Kaffee ein, und er stellte das obligatorische Kleingebäck auf den Tisch. »Chef, ich habe gestern abend eine interessante Beobachtung gemacht«, begann er, als Freiberg von seinem Schreibtischstuhl aufstand, um sich an den Besprechungstisch zu setzen.
»Warte mit deinem Bericht, bis die Kollegin aus Potsdam da ist, sie muß jeden Moment eintrudeln.«
Lupus rührte mürrisch in seiner Tasse. »Auf die Zeitungsberichte über den Toten am Bismarckturm hat sich niemand gemeldet; dabei hat Mausers Artikel bestimmt wie eine Bombe eingeschlagen.«
Das Klopfen an der Tür zum Vorzimmer war im Gespräch untergegangen. »Darf ich reinkommen?« fragte Kommissarin Lette. »Ah, Kaffeeduft durchzieht das Haus.«
Freiberg hieß die Kollegin willkommen und machte sie mit den Mitarbeitern bekannt. »Laß dich von der Männerriege nicht beeindrucken; die Seele vom Geschäft ist unsere Kommissarin im Ehrenamt, Fräulein Kuhnert – bitte nicht Frau, das mag sie nicht.«
»Ich bin froh, endlich Verstärkung zu bekommen – wenn auch nur vorübergehend. Sie mögen doch auch einen Kaffee?« Fragend hielt Fräulein Kuhnert die Kanne hoch.
»Aber gern«, dankte der Gast aus Potsdam und ging zu dem freien Platz an Freibergs Seite.
Kommissar Singer schien »die Neue« mit den Augen verschlingen zu wollen. Peters machte eine Verbeugung wie in der Tanzstunde. Lupus stand von seinem Stuhl auf und wartete artig, bis die Kommissarin Platz genommen hatte.
»Nachdem ihr Frau Lette so zuvorkommend begrüßt habt, können wir ja zur Sache kommen«, sagte Freiberg amüsiert. »Also, Beate Randolf haben wir – wie vorgesehen – im Hotel Drexler abgesetzt. Sie hat vorher den Toten vom Bismarckturm als ihren Ehemann Valentin Randolf identifiziert und keine übermäßige Trauer oder Erschütterung gezeigt. Ahrens hat sie observiert und wird uns jetzt darüber berichten.«
Martin Ahrens legte einen Notizzettel auf den Tisch und begann mit seinem Bericht: »Etwa eine halbe Stunde nachdem Frau Randolf das Hotel Drexler betreten hatte, kam sie schon wieder heraus. Im Trenchcoat mit sportlichem Hut hätte ich sie fast nicht erkannt. Auf dem Weg ins Zentrum hat sie sich mehrmals umgesehen; sie rechnete bestimmt damit, beschattet zu werden. Später hat sie sich wohl unbeobachtet gefühlt und ist munter drauflos marschiert. Nach einem Bummel über den Münsterplatz ist sie am Schloß entlang zum Rhein gegangen, dann um den Alten Zoll herum
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