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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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sehr heftig und sehr lange.
    Der in dem Keller hängende Rest eines halben Körpers hatte einem Kind gehört.
     
    Sie folgte dem Gestank und fand im Wald eine halb unter Wasser stehende Grube, in die der Waldopa schön ordentlich alles geworfen hatte, was sich nicht essen ließ. Während sie die aus dem Unrat ragenden Schädel, Rippen und Becken betrachtete, begriff sie mit Entsetzen, dass sie ihr Leben einzig der Geilheit des schrecklichen Alten verdankte, nur der Tatsache, dass er Lust gehabt hatte, sie zu vergewaltigen. Wäre sein Hunger größer als sein widerliches Verlangen gewesen, dann hätte er heimtückisch mit der Axt nach ihr geschlagen, nicht mit dem Stock. Er hätte sie, aufgehängt an dem Galgen, ausgenommen und gehäutet, sie auf dem Tisch zerlegt, auf dem Öfchen zubereitet   …
    Obwohl sie vor Schwindel wankte und die angeschwollene linke Hand höllisch wehtat, schleifte sie den Leichnam zu der Grube im Walde und stieß ihn in den stinkenden Morast, zwischen die Knochen der Opfer. Sie kehrte zurück, häufte Äste und Waldstreu über den Eingang zu dem Keller, legte Reisig um die Pfähle der Hütte und um das ganze Besitztum des Alten. Dann zündete sie alles sorgfältig an vier Ecken an.
    Sie ritt erst fort, als es gründlich angebrannt war, als das Feuer richtig zu tosen und zu fauchen begann. Als sie sich sicher war, dass kein Regenguss verhindern würde, dass jede Spur dieses Ortes ausgelöscht würde.
     
    Mit der Hand war es nicht gar so schlimm. Gewiss, sie war angeschwollen und schmerzte natürlich, aber anscheinend war kein Knochen gebrochen.
    Als es gegen Abend ging, erschien am Himmel tatsächlich nur ein Mond. Aber Ciri hatte eine sonderbare Abneigung dagegen, diese Welt als die ihre anzuerkennen.
    Oder länger als nötig in ihr zu bleiben.
     
    »Heute«, murmelte Nimue, »wird es eine gute Nacht. Ich spüre das.«
    Condwiramurs seufzte.
    Der Horizont flammte golden und rot. Dieselben Farben legten sich als Streifen auf das Wasser des Sees, vom Horizont bis zur Insel.
    Sie saßen auf der Terrasse, in Sesseln, hinter sich den Spiegel in dem Ebenholzrahmen und den Gobelin, der ein an die Felswand geschmiegtes Schloss darstellte, das sich im Wasser eines Bergsees spiegelte.
    Den wievielten Abend, dachte Condwiramurs, den wievielten Abend sitzen wir so da, bis zum Einbruch der Dämmerung und danach, in der Dunkelheit? Ohne jede Wirkung? Ohne etwas zu tun als zu reden?
    Es wurde kalt. Die Zauberin und die Adeptin hüllten sich in Pelze. Vom See her hörten sie die Dollen am Boot des Fischerkönigs knarren, sie sahen es aber nicht – es war im blendenden Glanz des Sonnenuntergangs verborgen.
    »Ziemlich oft träume ich«, nahm Condwiramurs das unterbrochene Gespräch wieder auf, »dass ich in einer Eiswüste bin, in der es nichts gibt als nur das Weiß des Schnees und Berge von in der Sonne funkelndem Eis. Bis zum Horizont, ringsum, gibt es nichts als Schnee und Eis. Und es herrscht eine Stille, dass es in den Ohren klingt. Eine unnatürliche Stille. Totenstille.«
    Nimue nickte, als wolle sie zu verstehen geben, sie wisse, wovon die Rede war. Doch sie sagte nichts.
    »Plötzlich«, fuhr die Adeptin fort, »plötzlich scheint es mir, als hörte ich etwas. Als fühlte ich, wie das Eis unter meinen Füßen zittert. Ich knie mich hin, schiebe den Schnee beiseite. Das Eis ist durchsichtig wie Glas, wie auf manchen klaren Bergseen, wo man die Steine am Grund und die schwimmenden Fische durch klaftertiefes Eis hindurch sieht. In meinem Traum sehe ich auch, obwohl das Eis Dutzende, vielleicht Hunderte von Klaftern dick ist. Ich sehe trotzdem   … Und höre   … höre Menschen um Hilfe rufen. Dort unten, tief unter dem Eis   … liegt eine erfrorene Welt.«
    Wieder gab Nimue dazu keinen Kommentar.
    »Ich weiß natürlich«, fuhr die Adeptin fort, »wo die Quelle dieses Traumes liegt. Die Weissagung Itlinas, die berühmte Weiße Kälte, die Zeit des Frostes und der Wolfsstürme. Eine Welt, die inmitten von Schnee und Eis stirbt, um, wie die Prophezeiung lautet, nach Jahrhunderten wiedergeboren zu werden. Gereinigt und besser.«
    »Dass die Welt wiedergeboren wird«, sagte Nimue leise, »glaube ich fest. Dass sie besser sein wird, kaum.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast richtig gehört.«
    »Und ich habe mich nicht verhört? Nimue, die Weiße Kälte ist schon tausendmal vorhergesagt worden, wann immer ein Winter strenger ausfällt, heißt es, nun breche sie an. Gegenwärtig glauben nicht einmal die

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