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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Kinder, dass irgendein Winter die Welt bedrohen kann.«
    »Na bitte. Die Kinder glauben es nicht. Aber ich, stell dir vor, glaube es.«
    »Aufgrund irgendwelcher rationaler Voraussetzungen?«, fragte Condwiramurs ein wenig abfällig. »Oder ausschließlich im mystischen Glauben an die Unfehlbarkeit der Elfenweissagungen?«
    Nimue schwieg lange, zupfte an dem Pelz, in den sie gehüllt war.
    »Die Erde«, begann sie schließlich in etwas lehrhaftem Tonfall, »hat Kugelform und kreist um die Sonne. Stimmst du dem zu? Oder gehörst du vielleicht zu einer von den modischen Sekten, die etwas ganz anderes behaupten?«
    »Nein. Gehöre ich nicht. Ich akzeptiere den Heliozentrismus und stimme der Theorie von der Kugelgestalt der Erde zu.«
    »Wunderbar. Dann stimmst du sicherlich auch der Tatsache zu, dass die Erdachse geneigt ist und dass die Bahn der Erde um die Sonne nicht die Form eines exakten Kreises hat, sondern elliptisch ist?«
    »So habe ich es gelernt. Aber ich bin kein Astronom, also   …«
    »Man braucht kein Astronom zu sein, logisches Denken genügt. Die Erde läuft auf einer Ellipse um die Sonne, darum ist sie während eines Umlaufs bald weniger, bald weiter entfernt. Je weiter die Erde von der Sonne entfernt ist, umso kälter ist es auf ihr, das dürfte logisch sein. Und je weniger die Weltachse von der Senkrechten abweicht, umso weniger Licht trifft auf die Nordhalbkugel.«
    »Das ist auch logisch.«
    »Beide Faktoren, also die Exzentrizität der Umlaufbahn und der Neigungswinkel der Weltachse, unterliegen Veränderungen. Wie man glaubt, zyklischen. Die Ellipse kann mehr oder weniger exzentrisch sein, das heißt gestreckt, die Weltachse kann mehr oder weniger geneigt sein. Extreme Bedingungen, soweit es das Klima betrifft, ruft das gleichzeitige Auftreten beider Phänomene hervor: einer maximal gestreckten Ellipse und einer nur geringfügigen Abweichung der Achse von der Senkrechten. Bei ihrem Umlauf um die Sonne erhält die Erde im Aphelium sehr wenig Licht und Wärme, und die Polarregionen leiden zusätzlich unter dem ungünstigen Neigungswinkel der Achse.«
    »Klar.«
    »Weniger Licht auf der Nordhalbkugel heißt, dass der Schnee länger liegen bleibt. Der weiße und glänzende Schnee wirft das Sonnenlicht zurück, die Temperatur sinkt noch weiter. Daher bleibt der Schnee noch länger liegen, auf immer größeren Flächen schmilzt er überhaupt nicht oder nur für kurze Zeit. Je mehr Schnee es gibt und je länger er liegt, umso größer ist die weiße und reflektierende Oberfläche   …«
    »Verstehe.«
    »Der Schnee fällt, fällt und fällt, und es wird immer mehr. Denn beachte, dass mit den Meeresströmungen von Süden her warme Luftmassen herangeführt werden, deren Feuchtigkeit über dem ausgekühlten nördlichen Festland kondensiert. Der warme Wasserdampf kondensiert und fällt als Schnee nieder. Je größer der Temperaturunterschied, umso mehr Niederschlag.Je mehr Niederschlag, umso mehr weißer, lange nicht tauender Schnee. Umso kälter. Umso größer der Temperaturunterschied und umso stärker die Kondensation in den Luftmassen   …«
    »Verstehe.«
    »Die Schneedecke wird derart schwer, dass sie zu Eis zusammengepresst wird. Zu einem Gletscher. Auf den, wie wir schon wissen, weiterhin Schne fällt, der ihn weiter zusammendrückt. Der Gletscher wächst, er wird nicht nur immer dicker, sondern breitet sich auch aus, bedeckt immer größere Gebiete. Weiße Gebiete   …«
    »Die die Sonnenstrahlung zurückwerfen.« Condwiramurs nickte. »Kälter, kälter, noch kälter. Die Weiße Kälte, die Itlina vorhergesagt hat. Aber ist ein Kataklysmus möglich? Droht uns wirklich, dass das Eis, das von alters her im Norden liegt, plötzlich nach Süden kriecht, alles zermalmt, zusammenpresst und bedeckt? In welchem Tempo breitet sich die Eiskappe am Pol aus? Wie viel Zoll pro Jahr?«
    »Wie du sicherlich weißt«, sagte Nimue, den Blick auf den See gerichtet, »ist Pont Vanis der einzige eisfreie Hafen in der Praxeda-Bucht.«
    »Das weiß ich.«
    »Dann erweitere dein Wissen: Vor hundert Jahren ist kein Hafen in der Bucht zugefroren. Vor hundert Jahren, dafür gibt es viele Zeugnisse, wuchsen in Talgar Gurken und Kürbisse, in Caingorn wurden Sonnenblumen und Lupinen angebaut. Gegenwärtig ist das nicht der Fall, weil die besagten Pflanzen dort nicht gedeihen, es ist einfach zu kalt. Und weißt du, dass es in Kaedwen Weinberge gegeben hat? Die Weine aus den dortigen Trauben waren wohl nicht die besten,

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