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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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davonkam.
    »Bitte mich, worum du willst«, wiederholte er, und weil er schon müde war, gewann seine Stimme plötzlich an Menschlichkeit. »Ich werden jeden deiner Wünsche erfüllen.«
    Sie soll mich nicht anschauen, dachte er. Ich ertrage ihren Blick nicht.
    Die Menschen scheinen sich zu fürchten, mich anzuschauen. Und wovor fürchte ich mich?
    Vattier de Rideaux kann mich mal. Wenn sie darum bittet, lasse ich sie nach Hause bringen, dorthin, woher man sie entführt hat. In einer goldenen sechsspännigen Kutsche lasse ich sie hinbringen. Sie braucht nur darum zu bitten.
    »Bitte mich, worum du willst«, wiederholte er.
    »Ich danke Eurer Kaiserlichen Majestät«, sagte das Mädchen und senkte den Blick. »Euer Kaiserliche Majestät sind sehr edel und gnädig. Wenn ich eine Bitte äußern darf   …«
    »Sprich.«
    »Ich möchte gern hierbleiben können. Hier in Darn Rowan. Bei Frau Stella.«
    Er wunderte sich nicht. Er hatte so etwas geahnt.
    Das Taktgefühl hielt ihn davon ab, Fragen zu stellen, die für beide peinlich gewesen wären.
    »Ich habe mein Wort gegeben«, sagte er kalt. »Es soll geschehen, wie du es willst.«
    »Ich danke Eurer Kaiserlichen Majestät.«
    »Ich habe mein Wort gegeben«, wiederholte er, bemüht, ihrem Blick auszuweichen, »und ich werde es halten. Ich glaube aber, du hast eine schlechte Wahl getroffen. Du hast den falschen Wunsch geäußert. Falls du deine Meinung ändern solltest   …«
    »Ich werde sie nicht ändern«, sagte sie, als klar wurde, dass der Kaiser den Satz nicht beenden würde. »Wozu sollte ich sie ändern? Ich habe Frau Stella gewählt, habe Dinge gewählt, von denen ich im Leben so wenig hatte   … Ein Zuhause, Wärme, Güte   … Ein Herz. Man kann nichts falsch machen, wenn man so etwas wählt.«
    Armes, naives Ding, dachte Kaiser Emhyr var Emreis, Deithwen Addan yn Carn aep Morvudd, Die Weiße Flamme, Die Auf Den Grabhügeln Der Feinde Tanzt. Gerade indem man so etwas wählt, macht man die schlimmsten Fehler.
    Aber etwas – vielleicht eine ferne, vergessene Erinnerung – hielt den Kaiser davon ab, das laut zu sagen.
     
    »Interessant«, sagte Nimue, als sie sich die Erzählung angehört hatte. »Ein wirklich interessanter Traum. Hattest du noch andere?«
    »Ha!« Mit einem raschen und gut gezielten Hieb des Messers köpfte Condwiramurs ein Ei. »Mir dreht sich immer noch der Kopf von dieser Revue! Aber das ist normal. Die erste Nacht an einem neuen Ort bringt immer irre Träume. Weißt du, Nimue, man sagt von uns Träumerinnen, dass unser Talent nicht darin besteht, dass wir träumen. Abgesehen von Visionen in Trance oder unter Hypnose, unterscheiden sich unsere Traumgesichte von den Träumen anderer Leute weder an Intensität noch an Reichhaltigkeit noch an präkognitivem Gehalt. Was uns unterscheidet und unser Talent ausmacht, ist etwas ganz anderes. Wir erinnern uns an die Träume. Es kommt selten vor, dass wir einen Traum vergessen.«
    »Weil ihr eine untypische und nur euch eigene Funktion der innersekretorischen Drüsen habt«, fiel ihr die Dame vom See ins Wort. »Eure Träume sind, etwas vereinfacht gesagt, weiter nichts als in den Organismus ausgeschüttete Endorphine. Wie die meisten wilden magischen Talente ist auch eures auf prosaische Weise organisch. Aber wozu rede ich von etwas, was du selbst bestens weißt. Lass hören, an welche Träume erinnerst du dich noch?«
    »Ein junger Bursche« – Condwiramurs runzelte die Stirn   –, »der zwischen leeren Feldern einherwandert, einen Tornister auf dem Rücken. Die Felder sind leer wie im Frühling. Weiden   … An den Straßen und an den Feldrainen. Weiden, krumm,hohl, mit weit ausladenden Ästen   … Kahl, noch nicht ergrünt. Der Bursche geht, schaut sich um. Es wird Nacht. Am Himmel erscheinen Sterne. Einer davon bewegt sich. Es ist ein Komet. Ein rot flackernder Funken, der schräg übers Himmelszelt zieht   …«
    »Bravo.« Nimue lächelte. »Obwohl ich keine Ahnung habe, von wem du geträumt hast, kann man zumindest das Datum dieses Ereignisses genau umreißen. Der rote Komet war sechs Tage lang zu sehen, im Frühjahr des Jahres, als der Frieden von Cintra geschlossen wurde. Genauer gesagt, in den ersten Märztagen. Sind in den übrigen Träumen auch irgendwelche Hinweise auf das Datum aufgetaucht?«
    »Meine Träume«, ereiferte sich Condwiramurs, während sie das Ei salzte, »sind kein Ackerbaukalender! Sie haben keine Aufschriften mit dem Datum! Aber, um genau zu sein, ich habe

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