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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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von der Schlacht an der Brenne geträumt, sicherlich, weil ich mir das Gemälde von Nikolaus Certosa in deiner Galerie angeschaut habe. Das ist dasselbe Datum wie das Jahr des Kometen. Irre ich mich?«
    »Du irrst dich nicht. Was war Besonderes an diesem Traum von der Schlacht?«
    »Nichts. Ein Gewühle von Pferden, Menschen und Waffen. Die Menschen drängten sich und brüllten. Jemand, sicherlich ein Verrückter, schrie: ›Die Adler! Die Adler!‹«
    »Was noch? Du hast gesagt, es war eine ganze Revue von Träumen.«
    »Ich erinnere mich nicht   …« Condwiramurs verstummte. Nimue lächelte.
    »Na schön.« Die Adeptin reckte stolz die Nase hoch und ließ die Dame vom See nicht zu einer boshaften Bemerkung kommen. »Ja doch, manchmal vergesse ich etwas. Niemand ist vollkommen. Ich wiederhole, meine Träume sind Visionen, keine Bibliothekszettel   …«
    »Ich weiß«, schnitt ihr Nimue das Wort ab. »Das hier ist keinExamen deiner Fähigkeiten als Träumerin, es ist die Analyse einer Legende. Ihrer Rätsel und weißen Flecken. Übrigens läuft es ganz gut, gleich mit den ersten Träumen hast du das Mädchen von dem Porträt entschlüsselt, diese Doppelgängerin Ciris, mit der Vilgefortz versuchte, Kaiser Emhyr zu betrügen   …«
    Sie wurden unterbrochen, denn in die Küche kam der Fischerkönig. Nachdem er sich verbeugt und drauflosgeknurrt hatte, nahm er von der Anrichte Brot, einen Doppeltopf und ein Leinwandbündel. Er ging hinaus, wobei er nicht versäumte, sich zu verbeugen und zu knurren.
    »Er hinkt stark«, sagte Nimue scheinbar widerwillig. »Er ist schwer verwundet worden. Ein Wildeber hat ihm auf der Jagd das Bein aufgerissen. Darum verbringt er so viel Zeit im Boot. Beim Rudern und Fischfang stört ihn die Wunde nicht, im Boot vergisst er seine Behinderung. Das ist ein sehr anständiger und guter Mensch. Und ich   …«
    Condwiramurs schwieg höflich.
    »Brauche einen Mann«, erklärte die kleine Zauberin sachlich.
    Ich auch, dachte die Adeptin. Verdammt, sobald ich an die Akademie zurückkehre, lasse ich mich von jemandem flachlegen. Der Zölibat ist gut, aber nicht länger als ein Semester.
    Nimue räusperte sich. »Wenn du fertig bist mit dem Frühstück und den Wunschträumen, gehen wir in die Bibliothek.«
     
    »Lass uns auf diesen Traum zurückkommen.«
    Nimue öffnete eine Mappe, blätterte durch etliche in Sepia ausgeführte Aquarelle, nahm eins heraus. Condwiramurs erkannte es sofort.
    »Die Audienz in Loc Grim?«
    »Natürlich. Die Doppelgängerin wird am kaiserlichen Hof vorgestellt. Emhyr gibt vor, er habe sich täuschen lassen, macht gute Miene zum bösen Spiel. Da, schau, die Botschafter der Nördlichen Reiche, für die dieses Schauspiel aufgeführt wird. Und hier sehen wir die Nilfgaarder Fürsten, die der Affront getroffenhat: Der Kaiser hat ihre Töchter abgewiesen, sich einer Verschwägerung verweigert. Rachedurstig flüstern sie, die Köpfe zusammengesteckt, planen schon Verschwörung und Mord. Die Doppelgängerin steht mit gesenktem Kopf da; um das Geheimnis zu betonen, hat der Maler sie sogar in einen Halbschleier gehüllt, der das Gesicht verbirgt.
    Und weiter«, fuhr die Zauberin nach einer Weile fort, »wissen wir nichts über die falsche Ciri. Keine Version der Legende teilt mit, was mit der Doppelgängerin später geschehen ist.«
    »Man kann sich aber leider denken«, sagte Condwiramurs betrübt, »dass das Los des Mädchens nicht beneidenswert war. Als Emhyr sich das Original verschafft hatte – und wir wissen ja, dass er das tat   –, ließ er die Fälschung verschwinden. Als ich träumte, habe ich keine Tragödie gespürt. Dabei hätte ich eigentlich etwas merken müssen, wenn   … Andererseits ist das, was ich in den Träumen sehe, nicht notwendigerweise die reale Wahrheit. Wie jeder Mensch träume ich Wünsche. Sehnsüchte   … Und Ängste.«
    »Ich weiß.«
     
    Sie diskutierten bis zum Mittagessen, schauten Mappen und Faszikeln mit Grafiken durch. Der Fischerkönig hatte offensichtlich einen guten Fang gemacht, denn zu Mittag gab es Lachs vom Grill. Zu Abend ebenfalls.
    Nachts schlief Condwiramurs schlecht. Sie hatte zu viel gegessen.
    Sie erträumte nichts. Sie war deswegen ein wenig niedergeschlagen und beschämt, doch Nimue machte sich überhaupt nichts daraus. »Wir haben Zeit«, sagte sie. »Wir haben noch viele Nächte vor uns.«
     
    Der Turm von Inis Vitre verfügte über mehrere wahrlich luxuriöse Badezimmer, hell von Marmor und glänzend von

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