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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Messing, von Hypokausten erwärmt, deren Feuer irgendwo im Kellerbrannte. Condwiramurs stand nicht an, die Wanne stundenlang in Beschlag zu nehmen, ab und zu traf sie sich aber auch mit Nimue im Badehaus, einer winzigen Holzhütte, von der ein Steg auf den See führte. Sie saßen beide nass auf den Bänken, atmeten den von den übergossenen Steinen hochschießenden Dampf ein, schlugen sich ausgiebig mit Birkenreisern, und der salzige Schweiß rann ihnen in die Augen.
    »Wenn ich richtig verstanden habe« – Condwiramurs wischte sich das Gesicht ab   –, »soll mein Praktikum auf Inis Vitre darin bestehen, alle weißen Flecken in der Legende vom Hexer und der Hexerin auszufüllen?«
    »Du hast richtig verstanden.«
    »Tagsüber soll ich mich, indem ich mir Grafiken anschaue und mit dir diskutiere, für den Traum aufladen, damit ich nachts die wahre, niemandem bekannte Version dieses Ereignisses erträumen kann?«
    Diesmal hielt Nimue eine Bestätigung nicht einmal für notwendig. Sie schlug sich nur ein paarmal mit dem Birkenbesen, stand auf, goss Wasser auf die heißen Steine. Dampf schoss hoch, für einen Moment nahm ihnen die Hitze den Atem.
    Nimue goss sich das restliche Wasser aus dem kleinen Bottich über den Körper. Condwiramurs betrachtete mit Bewunderung ihre Figur. Wenngleich klein, war die Zauberin doch erstaunlich wohlproportioniert. Um ihre Formen und die straffe Haut hätte eine Zwanzigjährige sie beneiden können. Condwiramurs zum Beispiel war vierundzwanzig. Und sie beneidete sie.
    »Sogar wenn ich etwas erträume«, fuhr sie fort und wischte sich abermals über das schweißbedeckte Gesicht, »woher nehmen wir die Gewissheit, dass ich die wahre Version träume? Ich weiß wirklich nicht   …«
    »Dazu kommen wir gleich«, fiel ihr Nimue ins Wort. »Drau ßen . Mir reicht es, in diesem Käfterchen zu sitzen. Kühlen wir uns ab. Und dann reden wir.«
    Das gehörte auch zum Ritual. Sie rannten aus dem Badehäuschen,mit den bloßen Füßen auf den Brettern des Stegs tappend, sprangen in den See und stießen dabei wilde Schreie aus. Nachdem sie ein wenig geplanscht hatten, kehrten sie auf den Steg zurück und wrangen sich die Haare aus.
    Der Fischerkönig, von dem Planschen und Quietschen alarmiert, drehte sich in seinem Boot um, schaute, die Augen mit der Hand abschirmend, wandte sich aber sofort wieder zurück und widmete sich seinen Fischerutensilien. Condwiramurs hielt solch ein Verhalten für schimpflich und sträflich. Der Fischerkönig war in ihren Augen sehr gestiegen, als sie bemerkt hatte, dass er die Zeit, die er nicht beim Fischfang verbrachte, dem Lesen widmete. Er nahm sein Buch sogar aufs Klosett mit, und es war nicht mehr und nicht weniger als das
Speculum aureum
, ein ernstes und schwieriges Werk. Wenn sie sich also in den ersten Tagen ihres Aufenthaltes auf Inis Vitre ein wenig über Nimue gewundert hatte, so tat sie das nun längst nicht mehr. Es war klar geworden, dass der Fischerkönig den Grobian und Flegel nur spielte. Wohl eine Mimikry sicherheitshalber.
    Nichtsdestoweniger, dachte Condwiramurs, ist es eine Beleidigung und ein unverzeihlicher Affront, sich den Angeln und Blinkern zuzuwenden, wenn auf dem Steg zwei nackte Weiber paradieren, mit Körpern, wie sie Nymphen anstünden, von denen es schlicht unmöglich sein muss, den Blick abzuwenden.
    »Wenn ich etwas erträume«, kam sie auf das Thema zurück, während sie sich die Brüste mit dem Handtuch abrieb, »wer garantiert, dass ich die wahre Version geträumt habe? Ich kenne alle literarischen Fassungen der Legende, von Rittersporns
Ein halbes Jahrhundert Poesie
bis Andreas Ravix’
Die Dame vom See
. Ich kenne Hochwürden Jarre, ich kenne alle wissenschaftlichen Abhandlungen, und die Volksausgaben will ich gar nicht erst erwähnen. Diese ganze Lektüre hat Spuren hinterlassen, Einfluss ausgeübt, und ich bin außerstande, das aus meinen Träumen zu eliminieren. Gibt es eine Chance, die Fiktionen zu durchdringen und die Wahrheit herauszufinden?«
    »Ja.«
    »Wie groß ist sie?«
    »Ebenso groß wie die, die der Fischerkönig hat.« Nimue machte eine Kopfbewegung zu dem Boot auf dem See hin. »Du siehst selbst, wie er unermüdlich seine Haken auswirft. Er holt Grünzeug heraus, Wurzeln, überflutete Stubben, Stämme, alte Schuhe, Wasserleichen und weiß der Kuckuck, was noch. Aber von Zeit zu Zeit fängt er dort etwas.«
    »Dann also guten Fang«, seufzte Condwiramurs, während sie sich anzog. »Werfen wir den Köder aus

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