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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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denn   … Geralt? Tir ná Béa Arainne, die Elfennekropole, müsste sich nach dem, was du gesehen hast, hinter dieser Felsmalerei befinden, genau hinter der Wand   … Wir könnten dort hingelangen, wenn wir   … Na, du weißt. Wenn wir sie einreißen. Hast du daran nicht gedacht?«
    »Nein. Habe ich nicht.«
     
    Der Fischerkönig hatte abermals Glück gehabt, denn zum Abendessen gab es geräucherte Schmerlen. Die Fische waren so schmackhaft, dass die Wissenschaft den Bach hinunterging. Condwiramurs aß abermals zu viel.
     
    Condwiramurs stieß von den geräucherten Schmerlen auf. Zeit zum Schlafengehen, dachte sie, als sie sich zum zweiten Mal dabei ertappte, dass sie die Seiten des Buches mechanisch umblätterte, ohne den Inhalt überhaupt wahrzunehmen. Zeit zum Schlafen.
    Sie gähnte, legte das Buch beiseite. Sie schob die Kissen auseinander, von der Lese- zur Ruheanordnung. Mit einem Zauberspruch löschte sie die Lampe. Augenblicklich versank das Zimmer in undurchdringlicher Finsternis, dick wie Melasse. Die schweren Samtportieren waren dicht zugezogen – die Adeptin hatte schon lange herausgefunden, dass sie bei Dunkelheit besser träumte. Was will ich tun, überlegte sie, während sie sich streckte und auf dem Laken drehte. Auf Traumjagd gehen oder lieber vor Anker?
    Entgegen den hochtrabenden Versicherungen konnten sich die Träumerinnen sogar an die Hälfte ihrer Wahrträume nicht erinnern, ein erheblicher Teil blieb im Gedächtnis der Oneiromantinnen als Wirrwarr von Bildern, die ihre Farben und Formen wie ein Kaleidoskop änderten, das Kinderspielzeug aus Spiegeln und Glasscherben. Das Schlimmste war nicht einmal, wenn die Bilder überhaupt keinen Sinn und nicht einmal den Anschein einer Bedeutung hatten; dann konnte man sie ruhig ignorieren und zur Tagesordnung übergehen. Nach dem Grundsatz: Ich erinnere mich nicht, also gibt es nichts, das die Erinnerung lohnt. Im Jargon der Träumerinnen hieß solch ein Traum ein »Wal«.
    Betrüblicher und ein wenig peinlicher waren sogenannte »Gespenster« – Träume, von denen die Träumerinnen nur Bruchstücke im Gedächtnis behielten, ausschließlich Fetzen von Bedeutungen, Träume, von denen am Morgen nur die unklare Empfindung eines empfangenen Signals zurückblieb. Wenn sich das »Gespenst« auch noch wiederholte, konnte man sicher sein, dass es sich um einen Traum von oneiroidalem Wert handelte. Dann versuchte sich die Träumerin durch Konzentration undAutosuggestion dazu zu zwingen, ein konkretes »Gespenst« abermals, diesmal vollständig, durchzuträumen. Die besten Ergebnisse lieferte die Methode, sich sofort nach dem Erwachen wieder zum Träumen zu zwingen – das nannte man »Einhaken«. Wenn ein Traum sich nicht »einhaken« ließ, blieb noch der Versuch, das gegebene Traumgesicht mittels Konzentration und Meditation vor dem Einschlafen während einer der folgenden Séancen abermals heraufzurufen. Solch eine Programmierung des Träumens trug die Bezeichnung »vor Anker gehen«.
    Nach zwölf auf der Insel verbrachten Nächten hatte Condwiramurs schon drei Listen, drei Traumensembles. Es gab die Liste der Erfolge, auf die sie sich etwas einbilden konnte – die Liste der »Gespenster«, die die Träumerin mit Erfolg »einge hakt « oder »verankert« hatte. Dazu gehörten die Träume von der Rebellion auf der Insel Thanedd und von der Reise des Hexers und seiner Mannschaft durch das Schneetreiben am Malheur-Pass, durch die Frühjahrsüberschwemmungen und auf den aufgeweichten Straßen im Tal Sudduth. Es gab – das hatte die Adeptin Nimue nicht eingestanden – die Liste der Misserfolge, von Träumen, die entgegen allen Anstrengungen weiterhin rätselhaft blieben. Und es gab die Arbeitsliste   – Träume, die darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen.
    Und es gab einen Traum, seltsam, aber sehr angenehm, der in Fetzen und Schlaglichtern immer wiederkehrte, in nicht zu fassenden Geräuschen und seidiger Berührung.
    Ein lieber, zärtlicher Traum.
    Gut, dachte Condwiramurs, als sie die Augen schloss. Soll es sein.
     
    »Anscheinend weiß ich, womit sich der Hexer befasst hat, während er in Toussaint überwinterte.«
    »Na also.« Nimue hob den Blick von dem in Leder gebundenen Grimoire, in dem sie blätterte, und über die Brille hinweg. »Du hast also doch endlich etwas erträumt?«
    »Und ob!«, brüstete sich Condwiramurs. »Hab ich! Den Hexer Geralt und eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren und grünen Augen. Ich weiß nicht, wer das

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