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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Kragsteinen, den Dächern der Türmchen, auf Gesimsen, Brüstungen und Wimpergen, auf Dachrinnen, Wasserspeiern und Maskaronen saßen, so weit das Auge reichte, schwarze Vögel. Still, ohne zu krächzen waren sie von den Wracks herbeigeflogen, jetzt saßen sie in stiller Erwartung da.
    »Die wittern den Tod«, knurrte einer von den Söldnern.
    »Und Aas«, fügte der andere hinzu.
    »Wir haben keinen Ausweg«, wiederholte Silifant mechanisch und schaute Boreas an.
    Boreas Mun blickte zu den Vögeln hin. »Vielleicht ist es Zeit«, antwortete er leise, »dass wir einen hätten?«
     
    Sie gingen eine große Treppe mit drei Absätzen hinauf, zwischen einem Spalier von Statuen hindurch, die in Nischen in einem langen Korridor standen, vorbei an einem Kreuzgang, der ein Vestibül umgab. Ciri ging mutig, sie verspürte keine Furcht, weder die Waffen noch die Mördervisagen der Eskorte machten ihrAngst. Sie hatte gelogen, als sie behauptete, sie erinnere sich nicht an die Gesichter der Menschen von dem zugefrorenen See. Sie entsann sich, wie Stefan Skellen, derselbe, der sie jetzt mit finsterer Miene ins Innere dieses schrecklichen Schlosses führte, auf dem Eis gezittert und mit den Zähnen geklappert hatte.
    Jetzt, da er sich alle naselang umdrehte und sie mit Blicken durchbohrte, spürte sie, dass er sich immer noch ein wenig vor ihr fürchtete. Sie atmete tiefer durch.
    Sie kamen in eine Halle, unter ein großes, auf Säulen ruhendes Gewölbe mit sternförmigen Rippen, unter eine große, spinnenförmige Girandole. Ciri sah, wer sie dort erwartete. Die Angst grub ihre klauenbewehrten Finger in ihre Eingeweide, drückte die Faust zusammen, riss und zerrte.
    Bonhart war mit drei Sätzen bei ihr. Mit beiden Händen packte er sie am Wams auf der Brust, riss sie hoch und gleichzeitig auf sich zu, so dass ihr Gesicht vor seine blassen Fischaugen kam.
    »Die Hölle«, stieß er heiser hervor, »muss wirklich schrecklich sein, wenn ich dir lieber bin.«
    Sie gab keine Antwort. In seinem Atem roch sie Alkohol.
    »Aber vielleicht wollte die Hölle dich kleine Bestie nicht haben? Vielleicht hat dieser Teufelsturm dich mit Abscheu ausgespuckt, als er dein Gift geschmeckt hat?«
    Er zog sie näher heran. Sie wandte das Gesicht ab.
    »Zu Recht«, sagte er leise. »Zu Recht fürchtest du dich. Jetzt bist du am Ende. Von hier wirst du nicht mehr fliehen können. Hier, in diesem Schloss, lasse ich dir das Blut aus den Adern.«
    »Seid Ihr fertig, Herr Bonhart?«
    Auf der Stelle erkannte sie den, der das gesagt hatte. Der Zauberer Vilgefortz, der auf Thanedd erst ein in Fesseln geschlagener Gefangener gewesen war und sie dann im Möwenturm verfolgt hatte. Damals, auf der Insel, war er sehr würdevoll gewesen. Jetzt hatte sich in seinem Gesicht etwas verändert, was bewirkte, dass es hässlich und furchterregend geworden war.
    »Erlaubt, Herr Bonhart« – der Zauberer regte sich nicht einmalin dem thronähnlichen Sessel   –, »dass ich als Hausherr der angenehmen Verpflichtung nachkomme, unseren Gast auf Schloss Stygga zu begrüßen – Fräulein Cirilla von Cintra, die Tochter von Pavetta, Enkelin von Calanthe, die Nachfahrin der berühmten Lara Dorren aep Shiadhal. Willkommen. Und tritt bitte näher.«
    Aus den letzten Worten des Zauberers verschwand der unter der Maske der Höflichkeit verborgene Hohn. In ihnen klangen nur noch Drohung und Befehl. Sie fühlte Angst. Eine schreckliche, lähmende Angst.
    »Näher«, zischte Vilgefortz. Jetzt bemerkte sie, was mit seinem Gesicht nicht stimmte. Das linke Auge, wesentlich kleiner als das rechte, zwinkerte, zuckte und rollte wie wild in der faltigen und graublauen Augenhöhle umher. Der Anblick war grässlich.
    »Die Haltung tapfer, im Gesicht keine Spur von Furcht«, sagte der Zauberer und neigte den Kopf zur Seite. »Meinen Respekt. Sofern der Mut nicht aus Dummheit resultiert. Ich will eventuelle Flausen sofort zerstreuen. Von hier, wie Herr Bonhart richtig bemerkt hat, wirst du nicht entkommen. Weder durch Teleportation noch mit Hilfe deiner speziellen Fähigkeiten.«
    Sie wusste, dass er recht hatte. Zuvor hatte sie sich gesagt, dass sie notfalls, und sei es im letzten Augenblick, immer noch fliehen und sich in den Zeiten und Orten verbergen konnte. Jetzt wusste sie, dass diese Hoffnung getrogen hatte, ein Hirngespinst. Das Schloss vibrierte geradezu von böser, feindlicher, fremder Magie; die feindliche und fremde Magie durchdrang sie, drang in sie ein, kroch wie ein Parasit durch

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