Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
die Eingeweide, wie eine Schnecke durchs Hirn. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie war in der Gewalt des Feindes. Machtlos.
Was hilft’s, dachte sie, ich wusste, was ich tue. Ich wusste, wozu ich hierherkommen würde. Der Rest waren wirklich Flausen. Soll also sein, was sein muss.
»Bravo«, sagte Vilgefortz. »Eine zutreffende Einschätzungder Lage. Es wird sein, was sein muss. Genauer: Es wird sein, was ich bestimmen werde. Interessant, kannst du dir auch denken, meine Beste, was ich bestimmen werde?«
Sie wollte antworten, doch ehe sie den Widerstand der verkrampften und ausgetrockneten Kehle überwinden konnte, kam er ihr abermals zuvor, da er ihre Gedanken sondiert hatte.
»Natürlich weißt du es. Herrin der Welten. Herrin der Zeiten und Orte. Ja, ja, meine Beste, dein Besuch hat mich nicht überrascht. Ich weiß einfach, wohin du von dem See geflohen bist und wie du das gemacht hast. Ich weiß, wer und was dir dort begegnet ist. Ich weiß, auf welche Weise du hierhergelangt bist. Das Einzige, was ich nicht weiß: War der Weg lang? Und hat er dir viele Eindrücke verschafft?
Ach« – er lächelte böse, als er ihr wiederum zuvorkam. »Du brauchst nicht zu antworten. Ich weiß, dass es interessant und spannend war. Siehst du, ich kann es kaum erwarten, es selbst zu versuchen. Ich beneide dich sehr um dein Talent. Du wirst es mit mir teilen müssen, meine Beste. Ja, ›müssen‹ ist das richtige Wort. Solange du dein Talent nicht mit mir teilst, lasse ich dich einfach nicht aus den Händen. Weder am Tage noch nachts werde ich dich aus den Händen lassen.«
Ciri erkannte endlich, dass nicht nur die Furcht ihr die Kehle zusammenschnürte. Der Zauberer hatte sie magisch geknebelt und erstickt. Er machte sich über sie lustig. Erniedrigte sie. Vor aller Augen.
»Lass … Yennefer frei«, brachte sie hervor, wobei sie sich vor Anstrengung geradezu krümmte. »Lass sie frei … Und du kannst mir mir machen, was du willst.«
Bonhart brüllte vor Lachen los, auch Stefan Skellen lachte trocken auf. Vilgefortz pulte mit dem kleinen Finger im Winkel seines makabren Auges.
»Du kannst unmöglich so dumm sein, nicht zu wissen, dass ich sowieso mit dir machen kann, was ich will. Dein Angebot ist pathetisch, also erbärmlich und lächerlich.«
»Du brauchst mich.« Sie hob den Kopf, obwohl es sie erhebliche Kraft kostete. »Um mit mir ein Kind zu haben. Alle wollen das, du auch. Ja, ich bin in deiner Gewalt, bin von selbst hergekommen … Du hast mich nicht gefangen, obwohl du mich durch die halbe Welt gejagt hast. Ich bin von selbst hergekommen und werde mich dir von selbst hingeben. Für Yennefer. Für ihr Leben. Du findest das lächerlich? Dann versuche es mit mir gewaltsam und mit Zwang … Du wirst sehen, wie dir das Lachen im Handumdrehen vergeht.«
Bonhart sprang auf sie zu, holte mit der Peitsche aus. Vilgefortz machte eine scheinbar achtlose Geste, nur eine leichte Handbewegung, doch das genügte, dass die Geißel aus Bonharts Hand flog, er selbst aber taumelte, als habe ihn ein Kohlenwagen gestreift.
»Herr Bonhart«, sagte Vilgefortz, während er sich die Finger massierte, »Ihr habt, wie ich sehe, immer noch Probleme, die Pflichten eines Gastes zu verstehen. Merkt Euch gefälligst: Wenn man zu Gast ist, zerstört man keine Möbel und Kunstobjekte, stiehlt keine kleinen Gegenstände, beschmutzt nicht die Sofas und schwer zugängliche Stellen. Man vergewaltigt und schlägt keine anderen Gäste. Letzteres zumindest so lange, bis der Hausherr mit dem Vergewaltigen und Schlagen fertig ist und solange er nicht zu verstehen gibt, dass man vergewaltigen und schlagen darf. Aus dem, was ich soeben gesagt habe, solltest auch du die richtigen Schlussfolgerungen ziehen können, Ciri. Du kannst es nicht? Ich will dir helfen. Du lieferst dich mir selbst aus und bist gehorsam zu allem bereit, du erlaubst mir, mit dir zu machen, was immer ich will. Und du hältst das für ein großzügiges Angebot. Du irrst dich. Es ist nämlich so, dass ich mit dir machen werde, was ich muss, und nicht, was ich gern täte. Ein Beispiel: Ich würde dir als Revanche für Thanedd gern mindestens ein Auge ausreißen, aber ich kann nicht, weil ich fürchte, du würdest es nicht überleben.«
Ciri erkannte: jetzt oder nie. Sie vollführte eine halbe Drehung,riss Schwalbe aus der Scheide. Das ganze Schloss begann plötzlich zu wirbeln, sie fühlte, wie sie fiel, sich schmerzhaft die Knie stieß. Sie krümmte sich zusammen, dass
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